bochum macht spaß
Foto: Ingo Otto

INTERVIEW | HERI REIPÖLER

Text: David Wienand
Fotos: Ingo Otto, Jens Schilling

Foto:Jens Schilling

INTERVIEW | HERI REIPÖLER

Am 18. August 2023 ist es wieder so weit: Das Zeltfestival Ruhr, kurz ZfR, öffnet seine Pforten für die Besucher mit einem Konzert von Michael Patrick Kelly. Bis zum 3. September werden dann viele weitere Künstlerinnen und Künstler auf den diversen Bühnen drinnen und draußen Gastspiele geben, ehe mit einem Auftritt von Trettmann die Veranstaltung ihre Zelte am Kemnader See wieder abbricht. Was das alles bedeutet für einen Mann, der von Anbeginn des Erfolgsfestivals mit Leib und Seele dabei ist, das erfahren die Leserinnen und Leser in einem Gespräch, das David Wienand für Bochum macht Spaß mit einem der drei ZfR-Macher, dem Geschäftsführenden Gesellschafter der Radar Musik & Unterhaltungs GmbH, HERI REIPÖLER, wenige Monate vor dem Startschuss für das Zeltfestival Ruhr 2023 geführt hat.

Heri, ihr habt 2022 mit ca. 140.000 Zuschauern die Rückkehr des Zeltfestivals nach der Corona-Auszeit feiern können. Wie wichtig war für euch, dass der Re-Start so erfolgreich verlaufen ist?
Auf einer Skala von 1 bis 10 eine glatte 12. Es war auf verschiedenen Ebenen ein Neustart und während der Planung auch durchaus eine Herausforderung, die Veranstaltung wieder wie gewohnt umzusetzen. Dass es am Ende geklappt hat, ist auf eine fantastische Mannschaftsleistung von Künstlern, Crew, Gastronomen und Markthändlern zurückzuführen, hat aber nur deshalb funktionieren können, weil die Zuschauer der Kulturlandschaft unserem kleinen Festival mit ihrem Besuch den Rücken gestärkt haben.

Ihr greift bei der Auswahl der Künstler für das Festival gerne auf bewährte Musiker und Bands zurück, die oft bereits mehrere Auftritte dort absolviert haben oder sogar schon Stammgäste geworden sind. Macht diese Strategie deiner Ansicht nach das Zeltfestival so erfolgreich?
Das Zeltfestival Ruhr unterscheidet sich in seiner konzeptionellen Ausrichtung durchaus von anderen Festivals, da wir pro Jahr ca. 40 „One Artist“-Gastspiele präsentieren – d.h. der Besucher bucht kein Festival-Ticket, sondern ein Ticket für eine Künstlerin oder einen Künstler. Da es das ZfR jetzt seit fünfzehn Jahren gibt, haben wir einzelne Künstler bei ihrer Karriere über die Jahre begleiten dürfen. Einige sind dem Zelt 3 oder dem Stadtwerke-Zelt entwachsen und treten nun im großen Sparkassen-Zelt auf, andere waren zu Gast in einer Mixed Show und sind nun in der Lage, das Zelt alleine zu füllen – einer (Torsten Sträter) gar an drei Abenden, und zwar das größte Zelt. Um es mit Torstens Worten zu sagen, das finden wir „verhältnismäßig überwältigend“. Wenn Künstler wie einst Joe Cocker oder im letzten Jahr Nico Santos sagen, „das hat Spaß gemacht bei Euch“, und gerne wieder zurückkehren möchten, ist das für jeden Veranstalter eine große Ehre, so auch für uns. In diesem Jahr sind aber auch trotz der Historie von fünfzehn Festivaljahren wieder einige das erste und hoffentlich nicht das letzte Mal dabei: Wanda, Marteria, Danger Dan, Tokio Hotel, Anneke v. Giersbergen, Tocotronic, Dunja Hayali, Ayliva, Chris Hopkins, Roy Bianco & Abbrunzati Boys, Maxi Gstettenbauer, ABC, Trettmann …

Ein junges Publikum und Bands, die Jugendliche oder ein Musik-Nischen-Publikum eher ansprechen – von gelegentlichen Ausnahmen, z. B. Placebo oder The Gaslight Anthem, abgesehen und aktuell etwa mit Marteria durchaus vertreten –, sind weniger auf dem Zeltfestival anzutreffen. Warum seid ihr da so zurückhaltend?
Das ZfR ist sicherlich nicht als klassisches Nischen-Festival konzipiert und umgesetzt worden, da es diese in NRW bei seiner Gründung durchaus schon gab und immer noch gibt. Wir wollten uns bewusst keiner dogmatischen Programmatik unterwerfen, sondern die Möglichkeiten, die uns das ZfR aufgrund der langen Spielzeit eröffnet, nutzen, um ein pluralistisches, täglich wechselndes Programm anzubieten. Insofern würde ich auch gerne zum Teil widersprechen: Ayliva wird ein extrem junges Publikum ansprechen, Marteria, Trettmann, Danger Dan, Roy Bianco, Anneke v. Giersbergen sind alles Acts, die nicht dem klassischen Mainstream zuzuordnen sind – den gibt es mit Künstlern wie Michael Patrick Kelly, Clueso oder Sarah Connor aber auch –, und das ist gut so.

Die Veranstaltungsbranche hat sich nach Corona immer noch nicht ganz erholt. Konzerte und Festivals, die vor Corona Selbstläufer waren, sind oft nur mäßig besucht. Ist es nach Corona schwerer geworden, Festivals zu organisieren und die Künstler zu gewinnen, die man gerne dort sehen möchte?
Die Herausforderungen bestehen vielleicht weniger darin, Künstler zu gewinnen, als vielmehr eine bezahlbare Infrastruktur zu erstellen. Die Branche leidet zudem noch immer an der Abwanderung vieler professioneller Köpfe in andere Branchen, und es wird etwas dauern, bis der Nachwuchs die Lücke wieder adäquat schließen kann.

Beginnen für dich mit dem letzten Tag eines Zeltfestivals bereits die Vorbereitungen des nächsten Events?
Insbesondere das Booking läuft derweil saisonübergreifend – viele Comedians planen so weit im Vorlauf, dass wir jetzt mit ihnen über 2024 sprechen. Im Idealfall können wir zum Ende einer Saison bereits die ersten Gastspiele für das Folgejahr ankündigen.

Wie sind all die anstehenden Aufgaben zum erfolgreichen Zustandekommen und Ablauf eines jeden Festivals unter euch drei Verantwortlichen, Björn Gralla, Lukas Rüger und dir, verteilt?
Wir sind ja alle drei – jenseits des ZfR – in unseren Firmen fest verankert. Auch wenn wir die wesentlichen Dinge immer gemeinsam entscheiden, sind die Kernkompetenzen, die jeder mitbringt, sicherlich hilfreich. Björn leitet mit Contra Promotion eine der erfolgreichsten deutschen Konzertagenturen, Lukas ist als Geschäftsführer des Restaurants Livingroom mit seiner Expertise für Gastronomiekonzeptionen und Netzwerker auch beim ZfR maßgeblich für Partnerschaften und Hospitality zuständig. Mit Radar steuere ich die Produktion, Marketing und Kommunikation bei.

Was tust du, um nach drei Wochen Zeltfestival wieder Boden unter die Füße zu bekommen und dich auszuruhen?
Vorab: Unser technischer Leiter mag es nie, wenn wir von drei Wochen sprechen – wir starten den Aufbau Ende Juli und der Abbau endet Mitte September :-) Zu Deiner Frage: Für mich persönlich ist es immer ein geschätzter Ausgleich zu dem klassischen Bürojob, insofern bedarf es keiner nachhaltigen Ruhepause – oft heißt es auch bei uns im Team auf dem ZfR: „Endlich Urlaub!“

Was fehlt Bochum deiner Ansicht nach, um die Stadt noch attraktiver zu machen?
Zugang zum Meer. Und wenn sich das nicht realisieren lässt, ein weiterhin gutes Händchen bei der Ansiedlung von spannenden Firmen, die gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen. Ich persönlich würde mich freuen, wenn wir in Bochum zusätzlich eine Fläche fänden, auf der über das Jahr wechselnde, große Produktionen umgesetzt werden könnten. Mit unserer perfekten Lage inmitten des Reviers hätten wir die Möglichkeit, ein Open-Air-Messestandort zu werden.

Heri, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für das Zeltfestival 2023 am Kemnader See!
Ich sage danke ... bis zum Sommer in der weißen Stadt am See …