bochum macht spaß
Foto: Werner Streletz

WERNER STRELETZ | AUF DEN SPUREN VON EDGAR ALLEN POE

DER BOCHUMER AUTOR IM INTERVIEW

Interview: Oliver Bartkowski

Fotos: Werner Streletz

Foto: Verlag

Mit dem legendären Autor und Dichter Edgar Allan Poe im Vorortkino der Gegenwart? Klingt fast wie eine neue Episode aus „Zurück in die Zukunft“. Der Bochumer Autor Werner Streletz treibt ein vertrackt-hintersinniges Spiel mit dem Meister des Halbdunkeln. Er sieht in Edgar Allan Poe (1809–1849) keine ferne Gestalt der Literaturgeschichte, sondern hält es für möglich, dass sich der Erzähler und Poe zeitenübergreifend in einer ungefähren Gegenwart begegnen. Poe auf der Höhe seines Könnens, schillernd, kaum greifbar bis zum rätselhaften Tod. Ein Rabe ist auf sein T-Shirt gedruckt. 2008 wurde Werner Streletz mit dem Litereaturpreis Ruhr des Regionalverbandes Ruhr ausgezeichnet. „Der Preis“, so sagte Streletz damals selbstbewusst, „war überfällig“. Wir trafen den ehemaligen Kulturredakteuer der Bochumer WAZ und Schriftsteller im „Cafe Tucholsky“ zum Interview. Einen passenderen Ort hätte es für Werner Streletz kaum geben können.

Herr Streletz, wann hatten Sie ihre erste Begegnung mit Edgar Allen Poe?
Da war ich vielleicht 16 oder 17 Jahre jung. Es gab damals Verfilmungen der Bücher, wobei die Verfilmungen mit den Büchern gar nicht so viel zu tun hatten. Man nahm sich damals bei der Umsetzung große Freiheiten, um den Stoff zu verfälschen. Aber damals als Jugendlicher waren die Filme spannend. Die Produktionen mit Christopher Lee, Peter Cushing oder Vincent Price waren für einen jungen Menschen trotzdem spannend. In den Vorortkinos habe ich diese Filme damals mit einem Freund abgegrast und für mich wurde es erst richtig spannend mit Poe, als ich die Bücher laß und mich auf Anhieb die sprachliche
Klasse begeisterte. Seitdem fasziniert mich Edgar Allen Poe. Die Tiefe und die sprachliche Qualität ging in den Filmen leider ziemlich unter. Ich habe zu der Zeit damals sämtliche Erzählungen zum Geburtstag geschenkt bekommen und da gibt es in den Übersetzungen ja erhebliche Unterschiede. Für meine Trilogie fehlte mir noch eine Person und da kam ich dann auf Edgar Allen Poe. Ich bin mit dieser Entscheidung auch sehr glücklich.

Poe bewegt sich mit ihnen in der Gegenwart. Es ist spannend zu sehen, wie er sich in ihrem Buch im Jetzt zurechtfindet. War es für Sie als Autor nicht problematisch einen Mann aus der Zeit des Vormärz ins 21. Jahrhundert zu holen? Er war ja ein recht eigensinniger Mensch.
Es ist jetzt der dritte Band dieser Reihe und die anderen Bände dieser Reihe arbeiten nach demselben Prinzip. Was wäre, wenn man diesen Dichter/ Autor jetzt treffen würde? Das ergibt Möglichkeiten dies in unsere Örtlichkeiten zu versetzen und augenscheinlich treibt er sich ja im Ruhrgebiet herum und nicht in den USA. Diese Freiheit nehme ich mir einfach und in den beiden anderen Büchern bin ich sogar noch einen Schritt weiter gegangen. Da schreibe ich konsequent im Konjunktiv. Ich stelle mir vor dass... und es könnte sein, dass... usw. Durch das permanente Schreiben im Konjunktiv habe ich natürlich viele Möglichkeiten mir etwas einfallen zu lassen, aber ich entferne mich nie so weit, dass es eine reine Fantasterei ist. Ich bewege mich also nie in luftleerem Raum.

Poe hat ja tatsächlich als Journalist beim Evening Mirror gearbeitet und dort sein erstes kleines Geld verdient. Sie waren jahrelang Leiter der Kulturredaktion der WAZ. Haben Sie sich in der Figur besonders wiedergefunden und ist dadurch vieles für Sie leichter nachvollziehbar?
Im Grunde ist das schon ein gewisser Vorteil. Das erleichterte es mir schon, mir vorzustellen, wie er heute sein könnte. Da ich immer wieder auch den Journalisten Poe sehe, so ist das eine Sache, dir mir nahe und auch entgegenkommt.

Hätte ein Mensch wie Poe sich in der heutigen Zeit, bei uns im Kohlenpott, zurechtgefunden? Ihr Erzähler geht mit ihm ins Kino, um sich eine Verfilmung eines seiner Bücher anzuschauen. Dabei handelt es sich um das Regina. Ich gehe mal davon aus, dass es sich dabei um ein Kino ihrer Heimatstadt Bottrop handelt?
Ja, das mit dem Regina stimmt tatsächlich. Gut, die anderen beiden Bände spielen in Salzburg und Paris und ich arbeitete nur mit dem Konjunktiv. Diesen
habe ich bei Poe weggelassen und direkt festgelegt, also als literarisches Konzept, dass der Ich-Erzähler möglicherweise aus dem Ruhrgebiet stammen könnte. Der Ich-Erzähler sollte aber nicht mit mir verwechselt werden (lacht).

Der Erzähler trifft erstmals Poe auf seinem Dachboden, weil er sich aus der Wohnung ausgeschlossen hat. Sind das eigene Erfahrungen?
In der Tat. Das ist mir damals in dem sieben-geschossigen Haus passiert, in dem ich wohnte und ich wartete dann auch auf dem Dachboden, bis jemand kam, um mir die Tür zu öffnen. Eigene Erfahrungswerte bleiben natürlich nicht ganz außen vor.

Wie fangen Sie ein Buch an? Wissen Sie schon mit dem ersten Satz, wie das Buch enden wird?
Ich habe mich in der Auswahl der Orte relativ beschränkt. Natürlich recherchiert man. Im Fall von Poe beziehen sich viele Momente auf sein Leben, viele Situationen in dem Buch sind ja mehr oder weniger tatsächlich in Poes Leben passiert. Ich wusste also sehr genau, wie ich die Geschichte aufbauen wollte.

Was braucht eine Figur, dass Sie sich für sie interessieren?
Grundsätzlich sind es die gefährdeten Leute, also nicht die Leute, die durch das Leben tanzen. Es sind Figuren, die eine gewisse Tragik mit sich bringen.

Würde Poe mit seinen Geschichten als Autor in der Gegenwart ein großes Publikum erreichen?
Das ist schwierig zu beantworten, denn der hohe literarische Anspruch, der doch dahinter steckt, würde schon dagegen sprechen. Das macht es eben aus.

Sie lesen bestimmt auch aktuelle Bücher. Was war das letzt gute Buch, das Sie gelesen haben?
Ich lese auch neue Bücher. Mich interessieren nicht nur einfach Geschichten, sondern es muss mich speziell interessieren und dann handelt es sich meistens um Menschen, die schon etwas länger verstorben sind. Mich interessieren eher Leute aus der bildenden Kunst, dem Theater, Film usw.

Woran arbeiten Sie aktuell?
Jetzt kommt erst einmal der Schuber mit den drei Büchern heraus und darauf freue ich mich sehr.

Wen wollen Sie mit dem Poe Buch ansprechen? Schreiben Sie erst einmal nur für sich selbst?
Ich schreibe nur für mich! Man kann überhaupt nicht voraussehen, wer sich davon angesprochen fühlt. Es ist wichtig, dass du als Autor einen Verlag hast, der ein solches Buch oder überhaupt ein Buch mit Engagement vermarktet und es in der Öffentlichkeit bekanntmacht. Rezensionen interessieren mich daher nur bedingt. Es gibt einen überschaubaren Kreis von Leuten, die sich mit Herzblut einem solchen Titel widmen und diesen auch sachlich bewerten. Es gibt Rezensenten, da merkst du gleich, dass sie ein Buch verreißen, weil sie sich selbst so toll und außergewöhnlich finden. Das habe ich nicht nötig, mein Buch jemandem zum Fraß vorzuwerfen. Wichtig sind mir Rezensionen von fachkompetenten Menschen. Der WDR rezensiert sehr ordentlich und ein paar andere auch. Ich war mal morgens um acht Uhr live beim WDR. Das war schon hart (lacht).

Ich wünsche ihnen viel Erfolg mit dem Buch und dem demnächst erscheinenden Schuber.
Vielen Dank.

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