NEW ORLEANS | EINE BOCHUMER LEGENDE
Fotos: New Orleans

Text: Jürgen Stahl

Fotos: New Orleans

NEW ORLEANS | EINE BOCHUMER LEGENDE

„Zombiekeller“, mit diesem Begriff haben Thomas Behrendt und seine Mutter Margret so ihre Probleme. Ja: Ihr Tanztreff ist vor allem bei älteren Gästen unter diesem wenig schmeichelhaften Spitznamen bekannt, manche sagen auch berüchtigt. „Dabei ist unser Publikum längst jünger geworden. Und Zombies wurden hier auch noch nicht gesichtet“, sagt Thomas Behrendt schmunzelnd, den alle nur Tommy nennen.

In welcher Altersklasse auch immer: Zum Jahresbeginn 2025 wird gefeiert. Das „New Orleans“, so der korrekte Titel, wird 60 Jahre alt und ist damit der Rekordhalter unter den Diskotheken in Nordrhein-Westfalen, womöglich sogar bundesweit.

Ludwig Erhard regiert Deutschland als Kanzler, Roy Orbison führt mit „Pretty Woman“ die Hitliste an und die Ruhr- Universität nimmt den Lehrbetrieb auf, als Familie Gehrmann 1965 den Kult-Keller an den Start bringt. Der Titel „New Orleans“ ist der Jazz-Leidenschaft der Gründer geschuldet. Instrumente an den Wänden künden bis heute von den Wurzeln in Anlehnung an die Wiege des Jazz in den USA.

1986 übernimmt Margret Hörmann die Diskothek. Unter ihrer Regie und mit Unterstützung ihrer Freundin Uschi Scheidtsteger etabliert sich das „New Orleans“ im Bochumer Nachtleben. Während mit dem „Rathausmarkt“, der „Altstadtgasse“ oder später dem „Tauffenbach“ beliebte Tanz- und Flirttreffs verschwinden, bleiben in Bochums bekanntestem Partykeller, unweit des Hauptbahnhofs, die Lichter an. Das „New Orleans“ avanciert zum letzten Refugium auch und gerade für die nicht mehr ganz junge, aber nicht minder feierfreudige Ü-50-Generation.

2015 übergibt Margret Hörmann die Leitung an ihren Sohn Thomas Behrendt. Ihrem Laden bleibt sie aber eng verbunden: Bis heute sitzt die freundliche Seniorin an jedem Freitag und Samstag von 21 bis 5 Uhr oben an der Kasse und verteilt Gratis- „Klopfer“. Stammhalter Tommy ist treppab für die Musik und Getränke zuständig; auch er seit nunmehr vier Jahrzehnten. Verändert hat sich in all der Zeit erstaunlich wenig. Die Theke, das Mobiliar, Teile der Technik: Auf 180 Quadratmetern ist vieles noch original 1965. Manche Stammgäste halten dem Laden seit einer halben Ewigkeit die Treue. „Hier haben so einige Ehen ihren Anfang genommen“, weiß Behrendt. Ihr Ende allerdings auch. Nicht weiter tragisch: Als Single findet sich an altbewährter Stelle vielleicht ja eine neue Liebe. So wie beim Chef. Der hat seine Frau Diane bei der Arbeit kennengelernt. Seit mehr als 25 Jahren sind die beiden ein Paar.

Wie geht‘s weiter? Margret Hörmann ist mit 80 Jahren fest gewillt, auch künftig die Kasse zu betreuen. Auch Tommy denkt mit 59 Lenzen noch lange nicht ans Aufhören. Zum Glück vorbei sind die existenzbedrohenden Zeiten mit Öffnungsund Tanzverbot inmitten der Corona-Lockdowns. In seiner Verzweiflung hat Tommy damals Tische und Barhocker auf die Tanzfläche gestellt, einfach nur, um wieder präsent zu sein. Die Resonanz: erwartbar überschaubar. „Aber unsere Gäste sind zurückgekehrt. Wir sind wieder das Zentrum der Nacht!“ DJ Tommy hat musikalisch alles drauf, Charts, Schlager, Oldies. Ein Evergreen von Vicky Leandros rangiert in der ewigen Hitparade des „New Orleans“ weit oben, vielleicht, weil er die ungebrochene Lebensfreude der Besucher am treffendsten widerspiegelt: „Du weißt, ich liiiiebe das Leben …“ und zuverlässig reagieren zu können.

Das gilt für den Januar 2025 ganz besonders. Zum 60. Geburtstag gelten Jubiläumspreise. Das Bier gibt es für 1,50 Euro, Longdrinks für drei Euro. „Pro Gast spenden wir den ganzen Monat einen Euro für den Kinderhospizdienst Ruhrgebiet, der unheilbar erkrankte Kinder, Jugendliche und ihre Familien begleitet und unterstützt“, kündigt Thomas Behrendt an. Musikalischer Höhepunkt ist am Samstag, 25. Januar, das Gastspiel von Guido Westermann, bekannt aus der TV-Show „The Voice of Germany“. Zu Weiberfastnacht und am Karnevalssamstag geht’s im „New Orleans“ traditionell wieder närrisch zu.

Für den Chef und sein Team steht fest: Der Begriff „Zombiekeller“ wird irgendwann verschwinden. „Viele Gäste sagen inzwischen: Wir gehen zum Tommy. Das macht mich stolz.“

Alle Infos auf neworleans-bochum.de

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