bochum macht spaß
Besuch im Bochumer Kunstmuseum
Ein Gespräch mit Dr. Hans Günter Golinski
Das Team des Bochumer Kunstmuseums leistet seit vielen Jahren eine ganz hervorragende Arbeit, um den Besuchern einen bleibenden Eindruck zu verschaffen. Auch, wenn die Massen meist die großen Residenzstädte in Berlin, Hamburg, München oder Düsseldorf besuchen, so hat das Kunstmuseum Bochum in den vergangenen Jahren durch beeindruckende Ausstellungen und Aktionen von sich Rede machen können. In Bochum ist es ohnehin beliebt, doch auch über die Stadtgrenzen hinaus, hat das Museum viele Freunde gefunden, die immer wieder und regelmäßig den Weg zurück finden. Wir sprachen mit Direktor Dr. Hans Günter Golinski über seine Arbeit und seinen Ansatz.
Herr Dr. Golinski, seit wann sind Sie für das Bochumer Kunstmuseum verantwortlich und vor allem, wann und wie sind Sie zum ersten Mal mit Kunst in Berührung gekommen?In Bochum bin ich seit 20 Jahren als Direktor für das Haus verantwortlich. Wie bin ich zur Kunst gekommen? Ich bin in einem protestantisch-lutherischen Elternhaus groß geworden und da hat die bildende Kunst keine so große Rolle gespielt. Da war es eher das Wort. Dementsprechend habe ich viel gelesen. Angefangen mit der Bibel über Märchen, Legenden, bis hin zu griechischen Sagen. Mit sieben oder acht Jahren bekam ich einen Bildband über den Louvre in die Hand und die dort abgebildeten Kunstwerke hatten
diese Themen zum Inhalt und haben mich total fasziniert.
Während meines Lehramtsstudiums kam ich dann an den Punkt, dass ich die Faszination für Kunst in Worte fassen wollte. Das brachte mich dann letzten Endes dazu, Kunstgeschichte zu studieren. Von vornherein wollte ich aber die zeitgenössische Kunst begreifen und so hat es mich dann nach Bochum verschlagen, denn ursprünglich komme ich aus Wuppertal. In Bochum an der Uni gab es den ersten
Lehrstuhl für Kunstgeschichte, der Dank des Lehrstuhlinhabers Max Imdahl auch die zeitgenössische Kunst berücksichtigt.
Wie sehen Sie den Standort Bochum für ein Kunstmuseum?
Das Ruhrgebiet ist eine einzigartig reiche, vielfältige Museumslandschaft. In diesem Kosmos konnte das Kunstmuseum Bochum kontinuierlich ein sehr individuelles Profil aufbauen. Wir erfahren mit themenbezogenen Ausstellungen überregionale, ja internationale Resonanz mit unseren in Bochum konzipierten und aus den ortsspezifischen Gegebenheiten resultierenden Projekten. Die Verortung innerhalb Bochums ist deshalb sehr wichtig.
Für viele Menschen ist Kunst ein schwieriger Begriff, denn sie wissen nicht, wo sie ansetzen sollen, um Kunst zu verstehen oder zu deuten. Wie kann man kunstinteressierten Menschen einen einfachen Einstieg, beispielsweise in die zeitgenössische Kunst, ermöglichen?
Wie bereits gesagt, dafür muss man schon verortet sein und man muss heraushören und sehen, wie eine Stadt tickt. Bochum hat glücklicherweise ein kulturell sehr entwickeltes Klima. Wir merken, dass wir ein sehr aufmerksames und experimentierfreudiges Publikum haben.
Es gibt hier zwar nicht die lange Tradition, wie man sie beispielsweise in Residenzstädten wie München oder Düsseldorf hat, aber was in den letzten gut 100 Jahren gewachsen ist, das ist ein sehr spezifisches, engagiertes und interessiertes Publikum, das auch glücklicherweise sehr kritisch ist. Durch direkte Rückkopplung mit unseren „Nutzern“, also Künstlern und Kunstinteressierten, erfährt man sehr genau, wo man ansetzen soll.
Selbstverständlich bieten wir museumspädagogische Aktivitäten an, die sich zielgruppenorientiert auch an „Noch-nicht-Besucher“ wenden.
Und Sie beziehen in diese Arbeit auch die Kinder mitein?
Das ist richtig. Wir arbeiten natürlich sehr eng mit Kindergärten und Schulen zusammen, um dem jüngsten Publikum bereits einen leichten Einstieg in die Kunst oder das Museum zu ermöglichen, was auch bei den Eltern gut ankommt. Diese entdecken dann plötzlich auch ihr Interesse an der Kunst.
Suchen Sie die Themen mit Ihrem Team aus oder bieten sich Künstler mit ihren Arbeiten auch selbst an? Ist da auch viel Murks bei?
(Lacht) Natürlich ist da auch „viel Murks bei“, aber wir haben mit Künstlern eine sehr intensive Kommunikation und entsprechende Zusammenarbeit und auch hier gilt: in und von Bochum aus in die Region und ins Land zu wirken. Man muss reisen, ständig informiert darüber sein, was in der nationalen und internationalen Szene geschieht und man tauscht sich regelmäßig mit Kollegen aus. Aus Fachdiskussionen mit anderen Kuratoren und im eigenen Team,
Atelier- und Ausstellungsbesuchen aber auch aus eigener Betroffenheit heraus entwickeln sich Konzepte, die man für das Haus als wichtig erachtet. Ich habe den Anspruch, immer persönlich voll hinter einer Ausstellung zu stehen, nur so kann ich die Kunst authentisch vermitteln.
Sie sagten es gerade bereits: Kinder und Jugendliche werden in Ihre Arbeit stets mit einbezogen. Ein hervorragendes Beispiel ist die Ausstellung „Das Haus Deiner Kindheit“. Werke der Sammlung, die verschiedene Aspekte von Kindheit, Jugend und Alter, sowie des familiären Zusammenlebens reflektieren, bilden einen Assoziationsteppich für die Erinnerungen und Wahrnehmungen der Besucher. Die Ausstellung wurde erweitert durch Bilder von Kindern und Jugendlichen, die ihre Kindheit präsentieren. Wie schwer war es, Kinder und Jugendliche zur Mitarbeit zu bewegen und vor allem, nach welchen Kriterien wurden die Arbeiten ausgewählt?
Also für die heutige Museumsarbeit ist die Vermittlungsarbeit mehr denn je ein ganz entscheidender Punkt. Wir sammeln, wir bewahren, wir forschen, wir stellen aus und - wir vermitteln. Wir haben zum Glück eine feste Stelle mit einer sehr guten Kollegin und diese wiederum hat ein Team um sich herum aufgebaut, damit auch unterschiedliche Altersgruppen, insbesondere auch Kinder angesprochen werden können. Wir entwickeln Kommunikationsformen, die Jugendliche unmittelbar ansprechen und ihnen das Kunstmuseum als für sie wichtigen Erlebnisraum erfahrbar werden lassen. Sie sollen der Kunst begegnen, um durch behutsame Anleitung ihre eigenen Möglichkeiten zu sehen aber auch, um das Gestalten zu entdecken. Wichtig ist uns ihre visuelle Selbstständigkeit im Museum und damit auch im Alltag zu stärken. Wir verstehen uns als angstfreier Lernort, wo nicht benotet wird, stattdessen wollen wir stimulieren und motivieren.
Eine vernünftige Ausstellung in einem entsprechenden Rahmen zu präsentieren kostet natürlich Geld. Wünschen Sie sich manchmal für die ein oder andere Ausstellung einen finanziell größeren Rahmen oder sind die aktuellen Möglichkeiten für das Kunstmuseum schon ziemlich optimal?
Das wünscht sich ja jeder.Was die Finanzen angeht, sind wir über unser städtisches Budget hinaus natürlich permanent unterwegs. Zusätzliche Mittel werden aus allen möglichen Bereichen zusammengetragen. Es gibt die Kunststiftung NRW, das Land oder vor Ort z.B. die Sparkasse Bochum, die als wichtiger Partner dabei ist. Der Freundeskreis hilft uns u.a. bei der Pädagogik oder beim Einrichten des Foyers. Dafür sind wir schon sehr dankbar. Unser Freundeskreis, die Kunst- und Museumsgesellschaft, freut sich immer über Mitgliederzuwachs. Über die finanzielle Förderung hinaus gibt es aber auch eine mentale Unterstützung, d.h. unser Tun als wichtig zu erachten, es weiterhin zu fordern und zu fördern - das ist mir sehr wichtig.
Vielen Dank für das Interview Herr Dr. Golinski.
Sehr gerne.