ORDNUNG IST ALLES!
HANS-PETER VILLIS | ICH BIN GERNE EIN BLAUWEISSER BOTSCHAFTER
Beinahe zwei Jahre sind vergangen seit Hans-Peter Villis von der Mitgliederversammlung im November 2022 die Aufgabe des Vorstandsvorsitzenden des VfL Bochum 1848 Fußballgemeinschaft e. V. übertragen wurde. Der Verbleib seines Vereins in der 1. Liga auch in der Saison 2022/2023 ist der größte Erfolg dieser Zeit, doch beileibe nicht der einzige. Bevor es nun in die 2. Halbzeit seines über vier Jahre laufenden Vertrages beim VfL und in die dritte Spielzeit in Liga 1 geht, nutzt David Wienand für Bochum macht Spaß die Gelegenheit zu einem ausführlichen Gespräch mit dem gebürtigen Castrop-Rauxeler, der schon vor seiner 2010 begonnenen offiziellen Tätigkeit beim VfL leidenschaftlicher Fan des Vereins „anne Castroper“ war.
Herr Villis, Sie waren mit der Mannschaft im Trainingslager in Gais in der Süd-Tiroler Ferienregion Bruneck. War das für Sie dort eher Urlaub oder wartete auch Arbeit auf Sie?
Ich bin jedes Mal mit dabei, wenn die Mannschaft ins Trainingslager reist. Die meiste Arbeit haben dabei das Team auf dem Rasen sowie das Team hinter dem Team abseits des Platzes zu bewältigen. Es ist absolut erfreulich, dass der VfL in allen Bereichen begeistert und neue Rekorde aufstellt. So auch diesmal beim Trainingslager in der Ferienregion Bruneck, wo der Mannschaft in Gais rund 300 Fans bei der Trainingsarbeit und den Testspielen zugesehen haben. Diese Euphorie wollen wir mitnehmen in die neue Saison. Im Trainingslager bietet sich immer die Möglichkeit zum Austausch, sowohl im Gremium als auch mit den Fans und selbstverständlich auch mit der Geschäftsführung und der sportlichen Leitung. Das ist Teamarbeit, wobei wir natürlich ebenso die Vorzüge dieser wunderbaren Region genossen haben.
Sie sind in Ihrer Amtszeit als Vorstandsvorsitzender des VfL Bochum 1848 sowohl mit Lob als auch Kritik, insbesondere aus der Fan-Szene des VfL, konfrontiert worden. Wie gehen Sie damit um?
Ich habe einen Leitspruch, der lautet: Bei schönem Wetter kann jeder segeln. Zum Fußball gehören Emotionen, da wird das Sachliche in der öffentlichen Diskussion gerne mal vernachlässigt. Was nicht heißen soll, dass wir und auch ich immer alles richtig gemacht haben. Wir haben ein offenes Ohr für die Belange der Fans, der Mitglieder und Partner, und wir haben uns jedes Mal der Kritik gestellt und unsere Sicht der Dinge dargelegt. Umso mehr freut es mich, das darf ich stellvertretend für meine Kollegin und Kollegen aus dem Präsidium sagen, dass wir zuletzt mit großer Mehrheit in unseren Ehrenämtern bestätigt wurden. Es zeigt, dass die blau-weiße Fangemeinde offenbar weiterhin großes Vertrauen in uns und unsere Arbeit setzt. Wir haben uns nicht weggeduckt, als es stürmisch wurde, und haben das Schiff bei unruhiger See auf Kurs gehalten. Um im Bild zu bleiben: Dass wir seit mehr als drei Jahren auf einer Erfolgswelle reiten, ist kein Zufall.
Was macht generell den Einsatz für den VfL Bochum 1848 für Sie zu einer solch besonderen Aufgabe?
Ich bin als Castroper regelmäßig „anne Castroper“ gewesen. Werner Altegoer kam auf die Idee, mich für eine Mitarbeit im damaligen Aufsichtsrat zu gewinnen; eine Aufgabe, die ich als Privileg und Herausforderung gleichermaßen angesehen habe. Die Anfangsjahre waren hart, Werner Altegoer trat zurück und mit ihm mehrere langjährige Aufsichtsratsmitglieder. Der VfL musste sich wirtschaftlich lange Zeit nach der Decke strecken, und es bedurfte vielerlei Anstrengungen, zu denen ich beitragen wollte und konnte, um wirtschaftlich und sportlich wieder in die Erfolgsspur zurückzufinden. Dass uns das gelungen ist, macht mich froh und auch ein Stück weit stolz. Aber es ist kein Grund, sich mit dem Erreichten zufriedenzugeben. Wir müssen und wollen uns weiterentwickeln, um den VfL dauerhaft in der Bundesliga zu etablieren. Dafür stehen wir als Vereinsführung mit Rat und Tat den handelnden Personen im operativen Geschäft zur Seite.
Ausgiebig diskutiert wird in den letzten Jahren das Stadion des VfL Bochum anne Castroper, das viel zitierte „Schmuckkästchen“, an dem aber leider doch der Zahn der Zeit nagt. Umbau, Ausbau, sogar Neubau an anderer Stelle tauchen als Stichworte immer wieder in diesem Zusammenhang auf. Wie ist da der aktuelle Stand der Überlegungen bei den Verantwortlichen des VfL und der Stadt Bochum?
Unsere Geschäftsführung/leitung sind mit den Zuständigen bei der Stadt Bochum im permanenten Austausch. Dass unser wunderbares, bundesweit beachtetes und gern besuchtes Vonovia Ruhrstadion im Wettbewerb mit den anderen Bundesliga-Standorten das echte Stadionfeeling bietet, ist unbestritten. Aber wir müssen auch ständig Anpassungen vornehmen und loten die Möglichkeiten aus, wie diese an unserem Traditionsstandort umsetzbar sein könnten.
Überhaupt steigen seit dem Aufstieg die – gelegentlich auch übersteigerten – Erwartungen der Fans kontinuierlich. Was tut der VfL, was tun Sie, um diesen Erwartungen mit Verantwortung zu begegnen und gerecht zu werden?
Dadurch, dass wir realistisch und demütig bleiben. Wir wissen, wo wir herkommen und wie sich elf Jahre in der Zweiten Liga anfühlen. Demzufolge genießen wir jedes Jahr in der Bundesliga und freuen uns auf die aktuelle Saison. Auch wenn mit Heidenheim und Darmstadt zwei Klubs aufgestiegen sind, die von den meisten automatisch zum Kreis der Abstiegskandidaten gezählt werden, warnen wir davor, diese Gegner zu unterschätzen. Der VfL ist selbst das beste Beispiel dafür, wie man mit geringen Mitteln Großartiges erreichen kann. Die Etats der beiden Aufsteiger liegen schon jetzt über jenem, mit dem wir das erste Jahr nach der Rückkehr in die Bundesliga bestritten haben. Und seit 30 Jahren hat es immer mindestens ein Aufsteiger geschafft, sich in der Liga zu halten. Der Klassenerhalt bleibt unser Ziel – je eher, desto besser.
Viel diskutiert worden ist die Frage des Investors. Seither sind Jahre ins Land gezogen und es hat sich nichts getan. Die zunächst vernünftig klingende Aussage: „Wir suchen in aller Ruhe den Partner, der zu uns passt“ klingt angesichts der vielen Wiederholungen mittlerweile eher wie eine Ausrede. Wie ist denn in dieser Angelegenheit aktuell der Stand der Dinge
Es ist keine Ausrede, sondern war der Wunsch der Mitgliederversammlung. Und diesen Mitgliederauftrag nehmen wir sehr ernst. Allerdings haben sich inzwischen die Vorzeichen am Markt nahezu komplett verändert. Hinzu kommt, dass der VfL durch den Aufstieg in die Bundesliga werthaltiger geworden ist. Die Bundesliga besitzt allerdings auf Investorenseite nicht die Attraktivität, die andere Ligen – etwa Italien, Frankreich oder die Ligen Englands unterhalb der Premier League – haben. Dort bekommt man mit dem Einsatz geringerer Mittel mehr Mitspracherechte und erhofft sich dadurch einen schnelleren Return des Investments und Gewinne. Wir können Ihnen aber versichern, dass es zahlreiche Gespräche auch auf internationaler Ebene gegeben hat.
Ein Ärgernis für Fans, die nicht Vereinsmitglied sind und auch keine Dauerkarte besitzen, ist die beinahe kontinuierliche Unmöglichkeit, an Tickets zu kommen. Das alles geht nur noch online und meistens nur für Mitglieder und Dauerkarten-Inhaber. Der spontane Gang ins Stadion bleibt daher zumeist verwehrt. Hat der VfL das auf dem Schirm und arbeitet an einer Lösung?
Aus VfL-Sicht ist dies zunächst einmal kein Ärgernis, sondern eine absolut fantastische Entwicklung. Langjährige Mitarbeiter beim VfL, die auch die UEFA-Cup-Zeiten schon mitgemacht haben, hätten sich niemals vorstellen können, dass wir einmal eine Deckelung der Dauerkarten einführen müssen und dass die Mitgliederzahl derart rasant steigt. Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, als wir froh waren, dass fünftausendste Mitglied begrüßen zu dürfen. Nun sind wir bei 25.000 und wollen 40.000 erreichen. Wir halten eine Dauerkartendeckelung bei 18.000 für fair, auch unseren Mitgliedern gegenüber. Die haben dann – abzüglich des Gästekontingents, den Statutenkarten etc. – auch die Chance, sich Tickets zu sichern. Was wir aber auf jeden Fall mehr in den Fokus rücken wollen, ist der offizielle VfL-Ticket- Zweitmarkt, wo Dauerkarteninhaberinnen oder -inhaber ihre Tickets im Falle einer Spieltagsabwesenheit zu fairen Preisen anbieten können. Wir hätten auch gerne ein Stadion, das so groß ist, dass es dauerhaft neben den Dauerkarteninhabern und Mitgliedern zusätzlichen Platz für jene bietet, die das nicht sind. Haben wir aber leider nicht. Dennoch hat es auch in der vergangenen Saison noch Freiverkäufe bei einzelnen Spielen gegeben. Man sieht also: Eine Mitgliedschaft beim VfL lohnt sich.
Wann und wie entspannt ein Vorstandsvorsitzender und Manager, wenn er nicht für den VfL aktiv ist?
Das Ehrenamt beim VfL begeistert mich, ich bin gerne blau-weißer Botschafter. Die Anspannung steigt, je näher der Spieltag rückt. Im Berufsleben bin ich nach wie vor auf dem Energiesektor tätig, bin u. a. seit über zehn Jahren im Verwaltungsrat der Solarwatt GmbH, einem Dresdner Unternehmen für Photovoltaik-Anlagen und Speicher. Als im Unternehmen über einen neuen Standort im Ruhrgebiet diskutiert wurde, habe ich mich für Bochum als Niederlassung eingesetzt. Ich freue mich natürlich, dass es funktioniert hat und hier nun ein Standort für rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgebaut werden soll.