bochum macht spaß
Foto: Jan Konitza

HILMAR KLUTE | NICHT AUFS RUHRGEBIET ABONNIERT

Text: David Wienand
Fotos: Jan Konitz

Foto: Verlag

Selbst wenn es kulturschaffende Menschen schon mal vorziehen, sich aus ihrer Geburtsstadt Bochum in die große, weite Welt hinauszubegeben, so bleiben sie ihrer alten Heimat dennoch stets eng verbunden. Bei Hilmar Klute verhält es sich genauso. Der 1967 in Bochum geborene, mehrfach ausgezeichnete Kolumnist der Süddeutschen Zeitung hat schon für seinen vor gut vier Jahren erschienenen Debütroman Bochum als Setting gewählt. In seinem neuen Werk »Die schweigsamen Affen der Dinge« dichtet er seinem Protagonisten ebenfalls eine Jugend im Ruhrgebiet an. Der muss den Tod seines Vaters verarbeiten und erkennt dabei unter anderem, dass seine Vorbehalte gegen den Ruhrpott sich mehr und mehr als haltlos erweisen. Im Gespräch mit Bochum macht Spaß erfahren wir mehr über den Bochumer Autor und die Beweggründe seines literarischen Schaffens.

Obwohl Sie nicht mehr im Ruhrgebiet leben, spielt auch Ihr neuer Roman wieder genau dort, wenn auch nicht ausschließlich. Das war schon in Ihrem Debütroman »Was dann nachher so schön fliegt« so. Bietet Ihr aktueller Wohnsitz Berlin keine Ideen oder Anlässe für Romanthemen?
Meine Schreibanlässe gehen eher nicht von bestimmten Orten aus, sondern von Geschichten, die ich mir um einen Wahrheitskern herum baue. Das Ruhrgebiet ist für mich ein innerer Bezirk, der mir näher ist als Berlin, wo ich wohne, oder München, wo ich über zwanzig Jahre lang gelebt habe. Irgendwann habe ich Lust bekommen, meiner Jugend nachzuspüren, und die fand zu einem größeren Teil im Ruhrgebiet statt. Ich hoffe aber, dass ich nicht aufs Ruhrgebiet abonniert bin. Ich glaube es auch nicht. Mein Roman »Oberkampf« spielt ja in Paris, allerdings auch in einem Viertel, das ich gut kenne.

Trifft es zu, dass – wie gelegentlich zu lesen ist – ein zentraler Handlungsort Ihres ersten Romans ein Altenbochumer Altenheim ist?
Der Roman spielt in einem Altenheim und in der Tat stand das Heim in Altenbochum, wo ich meinen Zivildienst abgeleistet habe, dafür Modell. Aber diese Seniorenheime sind oder waren sich jedenfalls alle sehr ähnlich.

Welche Verbindungen haben Sie darüber hinaus noch zu Bochum, und wie oft zieht es Sie zurück in Ihre Geburtsstadt?
Meine Mutter und mein ältester Freund wohnen dort. Ich fahre vielleicht ein- oder zweimal im Jahr ins Ruhrgebiet.

Was – einmal abgesehen von ihrer Heimat, dem Ruhrgebiet, und seinen Menschen und Orten – inspiriert Sie noch zu Romanthemen und was ganz speziell zu diesem neuen Roman?
Ich bin kein Anhänger der Legende von der Inspiration. Ich habe einen kleinen Fundus an Erzählbarem in mir, den ich gewissermaßen abarbeite. Es ist, wenn man so will, ein autobiografischer Anlass, auch bei diesem Buch, in dem ich ein Vater-Sohn-Verhältnis beschreibe

Ihr neuer Roman trägt – genau wie schon Ihr Debüt – einen, sagen wir mal, recht ungewöhnlichen Titel: »Die schweigsamen Affen der Dinge«. Ohne unseren Lesern, die wir gerne neugierig machen möchten auf den Roman, nun zu viel zu verraten: Was hat es mit diesem Titel auf sich?
Die Hauptfigur in diesem Roman ist ein Zeitungsschreiber, der einen Aufsatz über den heute ziemlich vergessenen Dichter Oskar Loerke schreiben soll und damit nicht so gut zurande kommt. Der Titel zitiert eine Zeile aus einem Loerke- Gedicht, die mir gut gefällt, weil sie ein sehr kräftiges Bild für etwas sehr Leises findet. In meinem Roman geht es um Unausgesprochenes, aber auch um das Geheimnis, das man bei Leuten findet, bei denen man glaubte, man wisse alles über sie.

Nach der Beerdigung seines Vaters in Recklinghausen und dem Aufeinandertreffen mit dessen Freund Jochen treten die beiden recht spontan eine gemeinsame Reise nach Korsika an, auf den Spuren eines Abenteuers, auf das sich sein Vater und Jochen in deren Jugend als lebenshungrige und neugierige Neunzehnjährige begeben haben. Warum gerade Korsika?
Ich fand diesen Teil von Korsika, den ich beschreibe, deshalb so passend, weil dort heute noch vieles so aussieht wie vor fünfzig Jahren. Ich konnte die beiden jungen Männer, die ich beschreibe, mit ihren Vespas durch die sehr engen Straßen fahren lassen, ohne topografische Anpassungen vornehmen zu müssen. Es gibt dort kaum Tourismus, und auch das Meer sieht noch so aus wie 1959.

Heimat und Identität sind sicherlich zwei der Themen, um die es im neuen Roman geht. Sind das für Sie besonders bedeutsame Themen der Menschen im Deutschland der 2020er-Jahre?
Das sind zwei Begriffe, die man vermutlich getrennt betrachten muss. Heimat ist und war immer ein Thema für Menschen, die ihrer Heimat treu geblieben sind, und für solche, die sich von ferne nach ihrer Heimat sehnen. Auf mich trifft beides nicht zu. Aber ich glaube inzwischen, dass man aus seiner Herkunft heraus manches erklären kann. Identität ist ein größeres Thema, jedenfalls sofern es die Menschheit betrifft. In meinem Roman beschränkt es sich eher auf die Frage, welche Rolle die eigene Herkunft für das spätere Leben spielt. Aber ich verrate gleich und gerne: Beantwortet wird diese Frage in meinem Roman nicht.

Ihr Protagonist Henning ist ein schreibender Mensch, wie Sie auch. Er stammt aus dem Ruhrgebiet, wie Sie auch. Daraus darf man dann doch sicherlich auch die Frage ableiten, inwiefern autobiografische Momente in Ihren literarischen Texten eine Rolle spielen; wohlwissend, dass Autor und Erzähler immer auseinandergehalten werden sollten.
Die Antwort liegt ja schon in Ihrer Frage. Natürlich gibt es Parallelen, äußere jedenfalls, und sicher auch manche zu den Gedanken und Empfindungen der Hauptfigur. Aber das Grübeln darüber, was autobiografisch sei und was nicht, finde ich immer ein wenig müßig, denn letzten Endes ist das Leben des Autors längst nicht so interessant wie das der Figuren, die er erfindet.

Frank Goosen liest die Hörbuchversion von »Die schweigsamen Affen der Dinge«. Doch bestimmt nicht nur deshalb, weil er wie Sie ein „Bochumer Junge“ ist?
Frank Goosen ist nicht nur ein toller Schriftsteller, sondern auch ein begnadeter Vorleser. Von ihm kann sich mancher Schauspieler einiges abgucken. Ich freue mich jedenfalls sehr darüber, dass er meinen Roman zum Hörbuch gemacht hat. Es adelt den Text.