bochum macht spaß
Foto: VfL Bochum 1848

ILJA KAENZIG | VFL BOCHUM

Text: David Wienand
Foto: VfL Bochum 1848

Foto: VfL Bochum 1848

Für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist beim VfL Bochum Ilja Kaenzig zuständig. Was ihn direkt sympathisch macht, ist alleine schon die Tatsache, dass er sich nur im Team als Aufstiegsmacher versteht und dass jeder Mitarbeiter einen enormen Anteil an diesem Erfolg hat. Von Allüren keine Spur und das im Fußballsport, wo meist ein permanentes Konkurrenzdenken an den Tag gelegt wird. David Wienand traf sich mit dem überaus freundlichen Schweizer zum entspannten Gespräch.

Für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist beim VfL Bochum Ilja Kaenzig zuständig. Was ihn direkt sympathisch macht, ist alleine schon die Tatsache,Herr Kaenzig, wann waren Sie sich in der zurückliegenden Saison zum ersten Mal sicher, dass Bochum in der Saison 2021/2022, nach elf Jahren, wieder in der Bundesliga spielen wird?

Nach dem 3:1 durch Robert Žulj. Ab da konnten wir das Ende des Spiels genießen und der Traum wurde wahr. Natürlich waren wir schon seit vielen Monaten optimistisch, aber wir wussten auch, dass bei dem sehr hohen Punkteschnitt aller Aufstiegsanwärter eine Schwächephase nicht drin war. Wir haben nie zwei Spiele in Folge verloren, das war einer der Erfolgsfaktoren.

Seit 2018 sind Sie nun beim VfL Bochum und – in Kurven – ging es kontinuierlich aufwärts. Haben Sie selbst das Gefühl, dass der Erfolg somit auch zu großen Teilen Ihnen und Ihrer Arbeit zu verdanken ist?
Fußball ist ein Mannschaftssport und auch außerhalb des Platzes ist der Erfolg nur gemeinschaftlich mit allen Stakeholdern, von den Fans, Sponsoren, über die Politik bis hin zu den Gremien und Mitarbeitern, möglich. Es braucht klare Strukturen, denn daraus entsteht Vertrauen, Ruhe und am Ende Kontinuität. Wir haben alle zusammen einen guten Job gemacht und durften dabei auf der Vorarbeit aus vielen schwierigen Jahren beim VfL aufbauen. Wenn man im Fußball eine Entscheidung mehr richtig als falsch trifft, dann ist das schon gut.

Das ist uns gelungen. Was hat Sie damals eigentlich aus der Schweiz ins Ruhrgebiet und zum VfL Bochum gelockt?
Der VfL ist mein sechster Verein, davor war ich bereits fast zehn Jahre in der Bundesliga tätig bei Bayer 04 Leverkusen und Hannover 96. Der deutsche Fußball und seine Akteure waren mir also bereits vorher bekannt, sowie ich ihnen. Seine Wechsel kann man in diesem Geschäft aber nur selten planen. Es hat sich also spontan ergeben, doch ich bin sehr glücklich, dass das Schicksal einen Wechsel zum VfL für mich vorsah.

Wie lange haben Sie gebraucht, um mit der sicherlich „anderen“ Mentalität der Menschen im Ruhrgebiet und im Verein klarzukommen?
Die direkte Art ist ehrlich und die Werte, die zählen, ebenso wie Verlässlichkeit und harte Arbeit, sind wohltuend. Die VfL-Familie hat mich sofort bestens aufgenommen und unterstützt. Das ist nicht selbstverständlich, vor allem nicht im Fußball mit seinem Konkurrenzdenken. Insofern habe ich mich sofort wohlgefühlt und dass die Menschen hier gerne feiern, finde ich ebenfalls sehr sympathisch.

Was an Bochum und dem Revier haben Sie mittlerweile zu schätzen gelernt und womit „fremdeln“ Sie bis heute immer noch ein wenig?
Als Fußballfunktionär muss ich unbedingt den Stellenwert des Fußballs im Ruhrgebiet erwähnen. Die Bedeutung für die Menschen, die Emotionen, das Interesse – das gibt es so nur an ganz wenigen anderen Orten auf der Welt. Dies hautnah erleben zu dürfen, ist großartig, erst recht jetzt, in einer Zeit, wo sich der Fußball entfremdet. Im Pott ist der Fußball Volkssport und nicht Teil der Unterhaltungsindustrie.

Nach dem Aufstieg sind die Planungen in vollem Gange: Die überraschenden Abgänge von Robert Žulj, Patrick Drewes und auch des Fitness-Teams waren sicherlich nicht geplant. Stellt sich die Vorbereitung auf die Bundesliga- Saison somit deutlich problematischer da, als vielleicht angenommen?
Mein Kollege Sebastian Schindzielorz hat alles gut im Griff, Ab- sowie Zugänge sind „Business as usual“, auch wenn man bei jeder Veränderung natürlich emotional betroffen ist, denn schließlich teilt man unzählige Emotionen, sowie Erlebnisse mit jenen, die gehen, aber Fußball ist nun einmal ein extrem schnelllebiges Geschäft geworden. Wir versuchen zumindest, das Tempo der Veränderungen so gering wie möglich zu halten. Sie erinnern sich: Kontinuität, auf und neben dem Platz!

Immer wieder gibt es dieselben Antworten vom Verein auf die Investoren-Frage. Hand aufs Herz: Ist der VfL einfach nicht attraktiv genug für finanzkräftige Investoren und hat man das im Vorfeld nicht hinreichend bedacht?
Der VfL und der deutsche Fußball sind hochattraktiv für Investoren, das wissen wir, aber es braucht Geduld, um den richtigen, strategischen Partner zu finden. Aktuell suchen Investoren einen günstigen Einstieg mit viel Mitsprache, so wie dies in Frankreich, Italien oder England möglich ist. Wir haben ein klares Investorenprofil und eine klare Bewertung – von beidem rücken wir nicht ab. Die Verlockung, rasch viel Geld zur Verfügung zu haben, mögen groß sein, aber ein Investoreneinstieg ist eine Entscheidung für Jahrzehnte. Viele sind sich dessen nicht bewusst. Wir sind aktiv am Markt und pflegen Kontakte – aber immer aus der Position der Stärke.

Auf welche Partien gegen konkurrierende Vereine freuen Sie sich in der nächsten Saison besonders?
Der Kontakt zu ehemaligen Kollegen aus der Bundesliga kam in der 2. Liga etwas zu kurz, deshalb freue ich mich erst einmal auf alle Spiele, aber noch viel mehr darauf, dass der VfL wieder ein Dauerthema in ganz Fußball-Deutschland wird. Wir haben 13 Millionen Sympathisanten, diese Wucht wird man nächste Saison wieder so richtig erleben, vielleicht sogar noch viel intensiver, als vor dem letzten Abstieg.

Ganz unter uns: Präsident, Sportvorstand und Trainer müssen davon ja Nichts mitbekommen ... Auf welchem Tabellenplatz sehen Sie den VfL Bochum 1848 am Ende der Saison 2021/2022?
Ich kann Sie beruhigen, bei der Zielformulierung gibt es wohl keine zwei Meinungen, weder intern noch extern. Der Aufstieg war nicht das Ende des Weges, sondern ein Meilenstein. Jetzt wollen wir versuchen, den VfL wieder in der Bundesliga zu etablieren. Die Voraussetzung dafür war erst einmal der Aufstieg. Nun wird es sehr schwer und viel Schlachtenglück brauchen, aber historisch gesehen darf der VfL diesen Anspruch formulieren.

Herzlichen Dank für das Gespräch und Ihnen und allen beim VfL Bochum 1848 eine erfolgreiche Bundesliga-Saison 2021/2022!
Danke für das Vertrauen und die Unterstützung. Der VfL funktioniert nur als Gemeinschaft. Lassen Sie uns auch in der Bundesliga immer daran denken, vor allem, wenn es mal ein Weilchen nicht so laufen sollte, wie erhofft dass er sich nur im Team als Aufstiegsmacher versteht und dass jeder Mitarbeiter einen enormen Anteil an diesem Erfolg hat. Von Allüren keine Spur und das im Fußballsport, wo meist ein permanentes Konkurrenzdenken an den Tag gelegt wird. David Wienand traf sich mit dem überaus freundlichen Schweizer zum entspannten Gespräch.