„ICH HABE VOR MITLEID MIT ELLI GEWEINT“ | INTERVIEW MIT ANJA LIEDTKE
Foto: Anja Liedtke

Interview: David Wienand

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Bei ihren Beschreibungen New Yorks haben Ihnen sicherlich ihre eigenen Erfahrungen als Reiseerzählerin gute Dienste geleistet.
Ich reise gerne ohne Erwartungen. Vor Ort lasse ich mich vollkommen auf alles ein und sauge alles auf, was ich sehe, rieche, höre und fühle, menschliche Stimmen gleichermaßen wie die Natur. Ich werde ganz durchlässig, das bereichert sehr.

Wie schwierig oder vielleicht sogar gar nicht kompliziert war es für Sie, das alles schließlich erzählerisch unter einen Hut zu bringen?
Ich tagträume meine Romane. Zu schreiben fange ich erst an, wenn die Geschichte zu Ende geträumt ist. Danach kürze ich alles, was nicht unbedingt für die Handlung notwendig ist und überprüfe die Dramaturgie. Dann gebe ich das Manuskript meiner Lektorin und die stellt mir Fragen. Wenn ich die Antworten nicht im Text belegen kann, dann weiß ich, da ist etwas ungeklärt, da muss ich noch einmal ran. Es ist schwierig für mich nach dem Abschluss des Skripts noch einmal einzusteigen.

Um noch einmal auf ihre Erzählweise zurückzukommen: Sie scheinen eine Freundin der kurzen und knappen Sätze zu sein. Sind die der labilen Situation ihrer Protagonistin geschuldet?
Ja. In meinen früheren Romanen kam es mir am meisten auf die Handlung an. Dieses Mal wollte ich sehen, wie tief ich mich in eine Figur hineinfühlen kann.

Eine Frage, die natürlich immer interessiert: Wie viel von der Autorin selbst steckt in ihrer Protagonistin?
Ellinor joggt alle zwei Tage durch den Central Park. Das habe ich gemacht, als ich in Harlem wohnte. Auch dies habe ich für Ellinor erlebt: „Ich hatte meiner Familie erzählt, joggen in New York sei wie Fernsehen bei uns. Man sieht dieselben Leute. Nur schauen sie hier ungeschminkter aus. Und die Hotelszenen habe ich tatsächlich erlebt und auch die Ratten, die Ellinor  im Roman im Bus oder unten am Fluss über die Füße laufen. Ich teile auch Ellinors Freude am ehemaligen New Yorker Fleischerviertel.“

Die Figur des David Bowie scheint Sie nicht loszulassen, denn auch im neuen Roman taucht sie auf. Was fasziniert Sie so an ihm? Sie haben ihn ja schon einmal zum zentralen Roman-Thema gemacht, nämlich in „Schwimmen wie ein Delfin oder Bowies Butler“?
Über meine Faszination für David Bowie habe ich ja schon in unserem Interview über den Bowie-Roman geredet. In „Ein Ich Zu viel“ spielt er keine Hauptrolle. Er kommt vor, weil ich in New York quasi unter seinen Fenstern entlang gejoggt bin und er hat einmal erzählt, dass man in New York frei leben kann. Man trifft beim Joggen im Central Park Al Pacino und niemand macht einen Aufstand deswegen. Wie man oben sieht, hat das Eingang in den Roman gefunden. Seinen Auftritt am Schluss des Romans wollte ich sogar streichen, aber meine Lektorin hat sich für ihn eingesetzt.

Blicken wir nach vorne: Was ist das Erste, das Sie unternehmen wollen, wenn es wieder die Möglichkeit gibt, sich als Kulturschaffende vor die Tür zu begeben?
Meinen Leserinnen und Lesern begegnen.