bochum macht spaß
SAB.RUHR | SCHULBEGLEITUNG MADE IN RUHRGEBIET
Die SAB.Ruhr mit Sitz in Bochum ist gerade in dieser Zeit besonders gefragt, denn in Corona-Zeiten Behinderte, aber auch Kinder und Jugendliche mit Einschränkungen wie z.B. mit einem ADHS-Syndrom zu betreuen und zu unterrichten, ist eine große Herausforderung. Wir sprachen mit Geschäftsführer Deni Halilovic über die Arbeit an sich und die Problematiken in Zeiten der Pandemie.
Herr Halilovic, erklären Sie unseren Lesern doch bitte einmal wie es zur Gründung der SAB.Ruhr kam und wo Sie heute stehen?
Gegründet wurde die SAB (Selbstbestimmte Assistenz Behinderter) als ambulanter Pflegedienst im Jahre 1998 mit der Spezialisierung auf die Persönliche Assistenz für Menschen mit körperlichen Handicaps. Persönliche Assistenz, ein fester Begriff der Behindertenhilfe, beschreibt Kompensationsleistungen, die in erster Linie dazu dienen, die infrastrukturellen Barrieren zu überwinden und den Betroffenen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Das gelingt mit sogenannten Persönlichen Assistenten, die in Teams organisiert sind und von uns nach ganz bestimmten Kriterien zusammengestellt werden. Natürlich immer in Absprache mit den Assistenznehmern. Inzwischen haben wir auch weitere Schwerpunkte erschlossen. Unter anderem auch die Schulbegleitung, früher als ein Fachbereich innerhalb der SAB, heute und seit 2013 als eigenständiges Unternehmen unter dem Namen SAB-Schulassistenten organisiert. Nach außen hin treten wir als SAB.Ruhr auf. Auf der einen Seite ein klares Bekenntnis zu der Regionalität unseres Wirkungskreises, auf der anderen Seite verbergen sich dahinter aber auch strategische Intentionen. Unser Ziel ist es, das Dienstleistungsportfolio in der aktuellen Form in die benachbarten Regionen zu „exportieren““ und auf diesem Weg ein Unternehmensnetz zu spannen, in dem Klienten standardisierte Dienste mit hoher und vor allem gleichbleibender Qualität beziehen können.
Mit einem Grad der Behinderung hängt die Gewährung der Schulbegleitung nicht unbedingt zusammen. Gewährt wird diese Form der Unterstützung beispielsweise für Kinder und Jugendliche, die unter Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Autismus-Spektrum- Störung, Trisomie 21 sowie anderen Formen der geistigen Beeinträchtigung leiden. Auch Kids mit einer körperlichen Beeinträchtigung, die aufgrund verschiedener organischer Schädigungen oder chronischer Krankheiten gefördert werden sollen und für welche der Unterricht ohne zusätzliche Unterstützung durch einen Erwachsenen nicht möglich ist, gehören ebenfalls dazu. Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Kinder mit dem FAS (Fetales Alkoholsyndrom) sehr stark an. Leider! Wie sieht diese Assistenz im Detail aus? Die Schulische Assistenz lässt sich nur in einigen Aspekten der Tätigkeit verallgemeinern. Ansonsten ist diese immer individuell und an die Bedürfnisse und vor allem an die vorhandenen Ressourcen der Assistenzempfänger ausgerichtet. Wie aber konkret die Assistenz im schulischen Kontext aussehen könnte, lässt sich am Beispiel von Jugendlichen aus dem Bereich der Autismus Spektrum Störung veranschaulichen. Dazu musst man aber einiges über Autismus wissen. Eine besondere Form aus dem Spektrum ist das Asperger Syndrom. Die wesentlichsten Merkmale von Asperger Autisten sind ihre i.d.R. mindestens überdurchschnittliche Intelligenz, sensorische Überempfindlichkeit sowie die Schwierigkeiten in der Gestaltung von sozialen Beziehungen innerhalb der eigenen Peer Group. Kinder und Jugendliche mit dem AS haben extreme Probleme, sich der Änderungen in den täglichen Abläufen und Routinen anzunehmen.
Was man ebenfalls sehr oft beobachtet, ist die Fokussierung auf bestimmte Themenbereiche, über welche sie sehr gerne und häufig ununterbrochen berichten möchten. Einer, der also durchgehend auf einem sehr hohen Sprachniveau über Fachthemen referiert, und an der Meinung seines Gegenübers nicht wirklich interessiert ist, wird von der eigenen Peer Group als Schlauberger gelabelt und aus dieser ausgeschlossen. Die Aufgabe der Schulbegleitung muss also sein, die sozialen Kompetenzen der Betroffenen zu stärken, ihre soziale Integration zu fördern und Strukturierungsmaßnahmen einzuleiten, die ein Melt Down des Schülers verhindern. Um im Unterricht also für die Schüler bestmögliche Unterstützung anzubieten, ist die Teilnahme des Schulbegleiters an themenspezifischen Workshops einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Unser pädagogisches Team, rund um die Autismustherapeutin und Heilpädagogin, Frau Dr. Ute Kaufmann, hat im Laufe der letzten Jahre einige Workshops und Schulungen zu diesem Thema entwickeln. SAB.RUHR
Welche Voraussetzungen muss eine Lehrkraft mitbringen und vor allem, sind Sie aktuell gut besetzt oder gestaltet sich das schwierig in Corona-Zeiten?
Bevor ich auf Ihre Frage eingehe, möchte ich klarstellen, dass es sich bei Schulbegleitern um keine Lehrkräfte handelt. Der Lehrauftrag liegt immer bei der Schule. Auch wenn wir gerne an diesen Prozessen partizipieren, ist das Erstellen von Lehr- oder Förderplänen eine Aufgabe der Schule. Es war mir wichtig, an dieser Stelle unsere Aufgaben von denen der Lehrkräfte klar voneinander zu trennen. Es gibt aber eine Schnittmenge; diese zu gestalten, drauf kommt es an, darin sind wir gut.
Nun zu Ihrer Frage, über die in der Branche schon sehr lange kontrovers diskutiert wird. Früher haben die Kostenträger, allen voran die Jugendämter, die Schulbegleitung gerne in zwei Kategorien unterteilt: Fachkraft und Nichtfachkraft. Fachkraft war, oder ist sogar in einigen Städten immer noch, ein Sammelbegriff für Erzieher, Heilerziehungspfleger, Sozialarbeiter und ähnliche Ausbildungsabschlüsse, die gegenüber einer Nichtfachkraft höhere Erfolgschancen bei der Bewältigung der täglichen Aufgaben suggerieren. Wir haben 10 Jahre lang in diesen Kategorien gearbeitet, gehandelt und unser Personalrecruiting auf dieser These aufgebaut. Was hätten wir auch sonst machen können, es war schließlich die Entscheidung der Kostenträger. Doch als dann die Arbeitsmärkte für die sozialen Berufe leergefegt wurden und kein Nachschub mehr in Sichtweite war, konnten die Auflagen der Kostenträger nicht mehr erfüllt werden. Damit war die Branche in einer großen Krise und musste sich neu erfinden. Das war im Jahr 2013. Heute liegt der Schlüssel zum Erfolg, wenn Sie so wollen, in einem Personal- und Methodenmix: Also gerne auch mit Quereinsteigern arbeiten, die man individuell intern fortbildet, im Unterricht einarbeitet und regelmäßig supervidiert. Unter aktuellen Bedingungen geht es in erster Linie darum, gesund zu bleiben, die AHA-Regeln einzuhalten und die Beschulbarkeit der Kids mit Unterstützungsbedarf zu gewährleisten.
Das Thema Home Schooling ist in aller Munde. Das Schulministerium des Landes sieht einen fließenden Wechsel zwischen Präsenzbeschulung und Home Schooling vor. Was bedeutet das für die Kinder und Jugendlichen mit einer Schulbegleitung? Schulbegleitung im Home Schooling, geht das?
Doch das geht. Im BTHG (Bundesteilhabegesetz) spricht man in diesem Zusammenhang von einem sogenannten Gesamtplanverfahren, in dem der Teilhabeprozess gesteuert wird. Es ist allerdings so, dass die Reformen zur Teilhabesteuerung aufgrund ihres Umfanges nicht in allen Städten und Kommunen gleich schnell umgesetzt werden. In einigen Städten in der Tat etwas schleppend. Das ist zum Nachteil der Assistenzempfänger, also Schülerinnen und Schüler mit Handicaps. Das darf nicht sein! Das Recht auf Bildung muss uneingeschränkt gelten, und zwar für alle Menschen gleichermaßen. Niemand darf aufgrund seiner Beeinträchtigung benachteiligt werden. Nichtsdestotrotz lassen die meisten Städte und Kommunen die Übertragbarkeit der Schulbegleitung auch auf das Home Schooling zu. Das mag sich auf den ersten Blick einfach anhören, in der Praxis geht aber auch das mit einem gesonderten Aufwand im Konzeptionellen einher. Die Kostenträger bestehen in der Regel darauf, die didaktischen Aufgaben der Schule von den Aufgaben der Schulbegleitung im Home Schooling klar voneinander abzugrenzen. Während in der Schule die Aufsichtspflicht dem Lehrkörper obliegt, liegt der intuitive Gedanke sehr nahe, die Aufsichtspflicht würde im häuslichen Umfeld des Schülers auf die Schulbegleitung automatisch übergehen. Und genau darin liegt die Schwierigkeit. Unter normalen Umständen würden die Eltern ihrer Arbeit nachgehen, während sich das eigene Kind in der Schule befindet. In der Distanzbeschulung (Home Schooling) müssen die Eltern also zu Hause bleibe, um die von der Schule übertragene Aussichtspflicht wahrzunehmen. Die Schulbegleiter dürfen das nicht. Es geht hier also um die großen Themen der Kindeswohlgefährdung, bzw. darum, alle Möglichkeiten auszuschließen, die die das Kindeswohl gefährden könnten.