bochum macht spaß
THOMAS REIS
DEM NEUEN CHEF-COACH DES VFL MACHT BOCHUM SPASS
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Keine Frage: Dieser Mann ist überglücklich darüber, wieder in Bochum zu sein und das nicht nur, weil Thomas Reis nun wieder näher bei seinen Kindern ist, die während seiner Zeit ab 2016 als erfolgreicher U19-Coach beim VfL Wolfsburg in Bochum geblieben sind, sondern weil er - und daraus hat er nie einen Hehl gemacht - bei dem Verein in der 2. Bundesliga sein Trainer-Debüt gibt, der ihm vor allen anderen am Herzen liegt, dem VfL Bochum 1848. Mit dem 46-jährigen, gebürtigen Baden-Württemberger, seit vielen Jahren allerdings Bochumer Jungen aus Über-zeugung, sprach David Wienand für „bochum macht spaß.
Worauf haben Sie sich am meisten gefreut, als Sie wussten, es geht wieder zurück nach Bochum?
Besonders darauf, wieder bei meinen Kindern zu sein. Meine Familie ist während meiner Wolfsburger Zeit ja in Bochum geblieben. Natürlich habe ich auch den Menschenschlag im Ruhrpott vermisst. Ich war jetzt drei Jahre in Wolfsburg und da sind die Menschen komplett anders. Die Direktheit hat mir gefehlt, dass die Leute locker sind und ihre Meinung dementsprechend auch einmal in einem anderen Ton äußern.
Während der Wolfsburger Zeit hat es bestimmt weiterhin enge Kontakte nach Bochum gegeben, oder?
Natürlich. Ich habe Bochum ja nur deshalb verlassen, weil ich mich in meinem Beruf und persönlich weiterentwickeln wollte. In dieser Zeit bin ich zwar nicht mehr so oft in Bochum gewesen und bin auch nur selten dazu gekommen, mir Spiele anzuschauen, aber von einigen der Jungs, die jetzt noch hier spielen, war ich ja zuvor der Co-Trainer. Auf die habe ich geschaut und natürlich auch auf die Tabelle.
Was haben Sie besonders vermisst?
Also die Dönninghaus-Currywurst habe ich mir von Zeit zu Zeit einfliegen lassen (lacht). Tatsächlich haben mir Freunde, die mich besuchten, die Wurst und Soße eingeschweißt mitgebracht, weil es so etwas in Wolfsburg nicht gibt. Die Currywurst aus der VW-Kantine hält dem Vergleich nicht stand. Ich habe also unsere Currywurst besonders in meinem Wolfsburger Trainerteam eingeführt und das hat auch großen Anklang gefunden. Gerade auch die Schärfe der Soße.
Sicherlich haben Sie sich schon vorher darüber Gedanken gemacht, wann und wie Sie sich in das Abenteuer Bundesliga-Trainer stürzen wollten. Hatten Sie im Traum daran gedacht, dass dieser Karriere-Start ausgerechnet in Bochum stattfinden würde?
Das habe ich eigentlich immer gesagt: Mein Ziel ist es, hier, bei diesem Verein, dem VfL Bochum 1848, einmal Chef-Trainer zu sein. Für mich bedeutet das in der Konsequenz, dass ich Ziele, auch wenn sie unerreichbar erscheinen, doch mit viel und guter Arbeit erreichen kann. Irgendwann musste ich ja entscheiden, ob ich mich in das Trainergeschäft stürzen möchte. Nicht jeder fühlt sich dazu berufen oder möchte das, auch wenn er die Qualitäten dazu hat. Ich wollte allerdings immer schon mehr an die Front und Entscheidungen treffen und wenn etwas schiefgeht, dann möchte ich auch derjenige sein, der was auf die Mütze bekommt.
Macht es die Trainersache leichter, wenn man den VfL, wie Sie, schon seit vielen Jahren und in mehreren Funktionen, nämlich als Spieler, Co-Trainer oder Jugendcoach kennt?
Eigentlich gehe ich unvorbelastet in meine Aufgabe. Ich war drei Jahre weg und in dieser Zeit hat sich beim Verein ja so einiges ge- und verändert. Einige Trainerkollegen waren hier, im Mitarbeiterstab und in der Geschäftsstelle hat es Wechsel gegeben. Wichtig ist, dass ich nun zurückkehre als jemand, der Entscheidungen trifft, der Richtungen vorgibt. Das ist schon anders als während meiner vorherigen Zeit im Verein. Die Mitarbeiter müssen sich an mich in meiner Funktion gewöhnen und andersherum ist es bestimmt genauso.
Bevor Sie kamen, musste ein anderer, Robin Dutt, gehen. Wie empfinden Sie selbst dieses Haifischbecken der Bundesliga?
Eigentlich ist das in den letzten Jahren immer schlimmer geworden. Die Geschwindigkeit, in der die Wechsel statt-finden, hat zugenommen. Das Trainerleben war früher ein anderes. Ich selbst bin kein Wandervogel. Wenn ich den Job in Bochum nicht bekommen hätte, wäre ich drei weitere Jahre in Wolfsburg geblieben, also dann mindestens sechs insgesamt, was schon eine ziemlich lange Zeit ist. Weil ich nun in Bochum mithelfen möchte etwas aufzubauen, sehe ich optimistisch in die Zukunft. In Wolfsburg wurde mein Vertrag nach zweieinhalb Jahren vorzeitig um drei weitere Jahre verlängert, also habe ich dort anscheinend eine gute Arbeit geleistet. Mein persönliches Ziel lautet, dass mein Nachfolger in Bochum noch möglichst lange warten soll.
Was sind ihre ersten Eindrücke nach ein paar Monaten wieder beim VfL, besonders was die Reaktionen auf ihre Person und Arbeit angeht?
Dass nicht alle VfL-Fans einer Meinung waren, was den neuen Trainer angeht, war mir klar. Ich muss mich damit abfinden, dass einige die Entscheidung gutheißen, andere weniger. Ein guter Gradmesser dafür war die Mitgliederversammlung vor wenigen Wochen. Angesichts der tabellarischen Situation empfand ich es als sehr ruhig und die Argumente der Redner waren sehr vernünftig. Man hat gemerkt, dass jeder einzelne hinter dem Verein steht und ihm dessen Wohl am Herzen liegt. Ich stecke, da ich die Mannschaft erst in der laufenden Saison übernommen habe, in dem Dilemma, dass ich die Niederlagen und Unent-schieden, die vor meiner Zeit passierten, dennoch in den Bilanzen stehen habe. Aber: Wenn die Mannschaft aktiv ist, agiert und versucht ihr Bestes zu geben, dann sind die VfL-Fans da und stehen voll hinter ihr.
Der aktuelle Kader ist nicht von Ihnen zusammengestellt worden. Wie schwierig ist die Arbeit unter solchen Umständen für Sie? Wie vermitteln Sie den Spielern Ihre Vorstellungen?
Ein Vorteil ist, dass meine Mitarbeiter im Trainerstab die Spieler bereits kennen. Dazu spreche ich mit jedem Spieler einzeln, von Angesicht zu Angesicht. Dabei versuche ich die Jungs so zu kitzeln, dass sie ihre bestmöglichen Leistungen abrufen. Jeder Spieler hat seinen eigenen Charakter. Einige
müssen mehr gestreichelt werden, andere wiederum müssen
eher was zwischen die Hörner kriegen.
Wie kitzelt Thomas Reis das Beste aus seinen Spielern heraus?
Indem ich ihnen die Werte nicht nur vorgebe, sondern sie auch ganz klar vorlebe. Disziplin gehört zum Beispiel unbedingt dazu. Die musst du nicht nur außerhalb des Platzes haben, sondern auch auf dem Platz und Kompaktheit. Damit meine ich eine mannschaftliche Geschlossenheit, in der man sich gegenseitig hilft, wodurch wir erfolgreich sein können und so auch dem Verein helfen. Nicht nur das, denn man hilft sich darüber hinaus als Spieler auch selbst, indem man sich mit einem guten Tabellenplatz belohnt oder sich persönlich empfehlen kann. Ehrlichkeit und Direktheit sind mir auch wichtig. Jeder Spieler hat das Recht zu erfahren, warum er beispielsweise nicht aufgestellt wird und wenn ein Spieler nicht das Potenzial abruft, um zu spielen, dann sage ich ihm das. Dann wissen sie auch, woran sie arbeiten müssen, um wieder an das Team heranzukommen.
Insgesamt gilt für mich: Wenn ich selbst nicht brenne, wie will ich das von der Mannschaft verlangen?
Der Saisonstart verlief sehr schlecht, katastrophal eigent-lich. Machen Sie den Bochumern bitte Mut: Klappt das nun mit Ihnen und dem Durchmarsch des VfL mindestens ins obere Tabellendrittel der Liga zum Saisonende?
Mit einem Durchmarsch ist das in einer wie immer sehr engen Zweiten Liga so eine Sache. Wir haben eine ordentliche Mannschaft, die attraktiven Fußball spielen kann. Dass sie auch viele Tore schießt, das hat sie schon bewiesen. Das Ziel wird jetzt sein, an der Defensive zu arbeiten, wobei ich die Gegentore nicht ausschließlich auf die Abwehr schieben möchte. Daran ist durchaus die ganze Mannschaft beteiligt. Wenn sich die Mannschaft weiter so entwickelt wie bisher, dann kann man positiv in die Zukunft sehen. Ich hätte nichts dagegen, das obere Tabellendrittel zu erreichen, aber das funktioniert nur, wenn man kontinuierlich einen Schritt nach dem anderen macht. Als ich hier als Cheftrainer anfing, wurde in der Öffentlichkeit nur die Negativserie thematisiert. Nach dem Sieg in Heidenheim war das auf einmal eine Positivserie. Diese Serie würden wir gerne fortschreiben.
Wie verbringen Sie ihre Freizeit? Ganz ohne Fußball?
Das ist schwierig, weil meine Partnerin auch Fußballerin ist. Sie hat auch schon in der Zweiten Liga für Bochum gespielt, also ist Fußball immer präsent und zu Hause wird oft darüber diskutiert. Als Trainer endet der Job sowieso nicht vor der Haustür. Du nimmst deine Arbeit immer mit, denkst darüber nach, warum zum Beispiel etwas nicht so funktioniert hat, wie es funktionieren sollte und überlegst dir, wie es besser klappen kann oder du pickst dir die Abläufe heraus, die gut funktionieren und versuchst, diese zu verstärken. Dann schaust du dir andere Spiele von anderen Vereinen an, vielleicht nicht gerade den FC Liverpool. Wir haben keinen Mané, aber einen Zoller oder einen Ganvoula, die ohne Zweifel ihre Qualitäten haben. Wie lösen die anderen Clubs das in der Defensive? Was machen sie sonst und wo sind sie vielleicht besser? Das interessiert mich und damit geht viel freie Zeit drauf. Wenn wir aber ausgehen, beispielsweise in ein Restaurant, dann bekäme ich schon die Rote Karte gezeigt, wenn ich da auch nur über Fußball reden würde.
Und wo wird man ihnen - außer im Stadion und auf den Trainingsplätzen - über den Weg laufen?
Tatsächlich bin ich in den letzten Wochen kaum dazu gekommen durch Bochum zu laufen. Unsere Wohnung auf Vordermann zu bringen hat viel Zeit in Anspruch genommen. Es galt, die Menge der nicht ausgepackten Kisten kontinuierlich zu verringern, aber natürlich habe ich mich auch schon unter Menschen begeben und versucht, deren Gefühlslage zu erkunden, insbesondere was den VfL angeht. Jeder geht zwar lieber durch die Stadt, wenn – im übertragenen Sinne – die Sonne scheint, aber schlechtes Wetter gehört nun auch einmal zum Leben dazu. Mit meinen insgesamt 17 Jahren, die ich in dieser Stadt verbracht habe, bin ich als Bochumer eingebürgert und kenne mich hier sehr gut aus, daher bewege ich mich ganz ungezwungen, gehe in Restaurants, ins Kino oder auch mal in den Ruhr Park. Ich bin aber auch der Typ, der gerne mal zu Hause ist, in seinen eigenen vier Wänden, die Tür zu macht und die Ruhe genießt.