THOMAS LETSCH | NEUE HEIMAT BOCHUM
Foto: VfL Bochum/Bialas

Interview: David Wienand

Foto: VfL Bochum/Bialas

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FC ALTENBOCHUM | ANLAGE AM PAPPELBUSCH WIRD ZUM SCHMUCKKÄSTCHEN

Was für ein Einstand! Nach all den Turbulenzen anne Castroper schließlich die faustdicken Überraschungen! Der Fußball-Lehrer Thomas Letsch ersetzt den beliebten Erfolgstrainer Thomas Reis beim abstiegsbedrohten VfL Bochum 1848 – und debütiert im Ruhrstadion mit einem fulminanten 3:0 gegen die Eintracht aus Frankfurt. Das kann gerne so weiter gehen! Zumal der im baden-württembergischen Esslingen am Neckar geborene ehemalige Trainer der SG Sonnenhof Großaspach, des FC Red Bull Salzburg, von Erzgebirge Aue, des FK Austria Wien und zuletzt erfolgreich bei Vitesse Arnhem sich den Klassenerhalt seines neuen Vereins fest vorgenommen hat. Was liegt da näher, als dem neuen Mann auf der Trainerbank des VfL Bochum kurz vor der WM-Zwangspause auf den Zahn zu fühlen? Für Bochum macht Spaß sprach David Wienand mit Thomas Letsch.

Herr Letsch, wann und wie ist der VfL zum ersten Mal mit Ihnen in Kontakt getreten, um Sie als Nachfolger für Thomas Reis zu gewinnen?
Die Anfrage kam Mitte September, wenige Tage nach dem Spiel des VfL auf Schalke.

Hat Sie die Anfrage überrumpelt und mussten Sie sich erst einige Tage Bedenkzeit erbitten?
Natürlich läuft so etwas nicht binnen eines Telefonats oder Treffens ab. Ich habe ja eine Aufgabe bei Vitesse gehabt und stand auch noch dort unter Vertrag. Aber die Herausforderung, den VfL Bochum in der Bundesliga trainieren zu können, hat mich von Anfang an gereizt.

Als Sie den Entschluss gefasst hatten, nach Bochum zu wechseln, welches war das ausschlaggebende Kriterium für Ihre Entscheidung?
Den Ausschlag gaben Qualität und Mentalität der Mannschaft. Davon konnte ich mir vorab ein Bild machen. Aber es gibt zig Gründe, die für Bochum und den VfL sprechen. Der VfL ist ein Traditionsverein mit einer langen Bundesliga- Historie mitten im Ruhrpott und wird seriös geführt. Hier wird Fußball gelebt, vielleicht ein kleines Stück intensiver als andernorts, bedingt durch die räumliche Nähe der vielen Städte und die dort ansässigen Clubs. Da gibt es viel Rivalität und die Fans unterschiedlicher Vereine arbeiten womöglich in demselben Betrieb. Dann das Vonovia Ruhrstadion, eine Kultstätte des deutschen Fußballs, wo Herbert Grönemeyer vor jedem Spiel mit seiner Hymne gespielt wird. Dazu großartige Fans, fantastische Stimmung – was will man mehr?

Haben Sie den VfL Bochum vorher schon in irgenwie „auf dem Schirm“ gehabt und seine Entwicklung verfolgt?
Im vergangenen Jahr haben wir mit Vitesse ein Testspiel gegen den VfL absolviert, da hatte ich mal einen direkten Berührungspunkt. Ich bin Deutscher, da ist die Bundesliga natürlich von großem Interesse. Und dass der VfL in der vergangenen Saison Außergewöhnliches geleistet hat, ist auch in den Niederlanden registriert worden.

War und ist Ihnen bewusst, dass Sie hier in Bochum als Nachfolger eines sehr beliebten und erfolgreichen Trainers, Thomas Reis, Ihren Job antreten?
Aufgrund der soeben geschilderten Umstände: Ja, klar. Ich habe das Team dann auch von Heiko Butscher übernommen, der die Mannschaft gegen Köln zum ersten Punktgewinn gecoacht hat und in Bochum auch sehr beliebt sein dürfte. So etwas passiert im Fußball recht oft, dass man einem sehr prominenten oder beliebten Trainer folgt.

Mit dem ehemaligen Trainer Thomas Reis hatte der VfL einen ehemaligen VfL-Spieler und Kumpel-Typen als Coach. Verraten Sie unseren Leserinnen und Lesern doch bitte, was für ein Typ Mensch uns nun mit Thomas Letsch erwartet?
Mit einer VfL-Spieler-Vita kann ich leider nicht dienen. Ich würde mich selbst als kommunikativen Trainer sehen, strukturiert, mit einem klaren Plan und klaren Vorgaben. Auf der Pressekonferenz anlässlich meiner Vorstellung habe ich ja schon gesagt, dass ich zwar umgänglich bin, aber als Kumpel-Typ würde ich mich nicht beschreiben.

Aus dem niederländischen Arnheim kommen Sie ins Ruhrgebiet nach Bochum. Wie groß ist die Umstellung für Sie?
Ich hatte zwei sehr erfolgreiche Jahre in Arnheim und habe mich dort in der Stadt und beim Verein sehr wohlgefühlt. Dies Wohlgefühl stellte sich auch hier schon nach kurzer Zeit ein. Bochum ist eine sehr angenehme Stadt, die Menschen hier sind offen und direkt, was mir außerordentlich gefällt. Natürlich genieße ich es auch, wieder in der Muttersprache zu reden. Die Umstellung verlief also problemlos, ich bin schon angekommen.

Helfen vielleicht auch Ihre Erfahrungen aus dem erzgebirgischen Kohle-Revier Aue – dort waren Sie auch kurzzeitig Trainer des Zweitligisten –, um an der Ruhr schnell heimisch zu werden?
Aue ist schon anders als Bochum, das Erzgebirge anders als das Ruhrgebiet. Grundsätzlich habe ich bisher an jedem Ort, an dem ich gearbeitet habe, schöne Seiten entdeckt.

Haben Sie in der kurzen Zeit, die Sie in Bochum sind, schon etwas von der Stadt und den Menschen kennenlernen können?
Bochum lerne ich jetzt so nach und nach kennen, aber bisher stand die Arbeit auf dem Platz und mit der Mannschaft im Vordergrund. Doch ein paar Eindrücke konnte ich schon sammeln und kann daher sagen: Die Stadt und die Menschen gefallen mir.

Beide Städte, Arnheim und Bochum, warten mit einem großen Kulturangebot auf. Können Sie sich für Kultur erwärmen?
Ich müsste lügen, wenn ich mich als großer Kunst- und Museumskenner outen würde. Ich bin aber sehr an regionaler Kultur interessiert, suche nach dem Besonderen der jeweiligen Standorte. Ehrlicherweise beschränkt es sich dann auf einige wenige Dinge. Aber ich bin gespannt, was Bochum außer dem Starlight Express, dem Schauspielhaus oder den Kinos, wovon ich schon eins kennenlernen durfte, zu bieten hat.

Womit verbringen Sie Ihre Zeit, wenn es sich bei Ihnen mal nicht um den Fußball dreht?
Am liebsten verbringe ich meine Zeit mit der Familie und Freunden, wobei das aufgrund der Entfernung schwierig ist. Die Familie lebt in der Nähe von Salzburg. Ich versuche beim Sport abzuschalten, beim Laufen oder beim Tennis. Und den Kinobesuch hatte ich schon erwähnt. Ansonsten bleibt aber auch nicht viel Zeit.

Fünf Spiele unter Ihrer Regie, zwei Siege in der Bundesliga, das wichtige Weiterkommen im Pokal plus zwei Niederlagen in der Liga, beide auswärts. Wie fällt Ihr Zwischenfazit bis hierhin aus?
Nachdem der Einstand in Leipzig alles andere als wunschgemäß verlief, haben wir uns vor allem in den Heimspielen in die Richtung entwickelt, wo wir hinwollen. Wir haben den aktuellen Champions-League-Teilnehmer Eintracht Frankfurt besiegt sowie den zu dem Zeitpunkt aktuellen Tabellenführer 1. FC Union Berlin. Gegen Berlin hat es sogar noch besser geklappt als gegen Frankfurt, betrachtet man die Herangehensweise. In beiden Spielen hatten wir zwar auch das nötige Match- Glück, haben aber in erster Linie sowohl als Mannschaft funktioniert als auch durch Einwechselspieler sehr viel Energie auf den Platz bringen können. Wir sind im Pokal weitergekommen; verdient meiner Meinung nach.

Wie wollen Sie nun den VfL Bochum 1848 weiter auf der Siegerstraße halten und somit den Klassenerhalt sichern? Was ist Ihre Strategie?
Wir haben gesehen, dass wir konkurrenzfähig sind. Auch bei unserer Niederlage in Stuttgart, die am Ende zu deutlich ausfiel, waren wir über weite Strecken das bessere Team. Wenn wir mutig agieren, den Gegnern das Leben schwer machen, indem wir sie früh stören, haben wir eine Chance.

Auf welchem Tabellenplatz wird der VfL Bochum 1848 die Saison 2022/2023 beenden?
Unser Ziel lautet: auf einem, der die Zugangsmöglichkeit zur Bundesliga 2023/24 bietet.

Werden Sie die umstrittene WM in Katar am Bildschirm verfolgen oder folgen Sie vielen Fußball-Fans, die sich diese Farce nicht antun wollen?
Ich werde allein aus dem Grund schon genau hinschauen, weil vielleicht einer oder ein paar Spieler des VfL dort mitwirken werden. Erhan Mašovic könnte für Serbien spielen, Takuma Asano hofft auf eine Nominierung für Japan und könnte somit auf die DFB-Elf treffen, zudem könnte auch Christopher Antwi-Adjei nach seinen starken Leistungen bei uns noch auf den WM-Zug aufspringen. Jacek Góralski ist bereits für den vorläufigen Kader Polens nominiert worden. In erster Linie werden wir aber die WM-Pause nutzen, um das eigene Team auf die noch ausstehenden 19 Ligaspiele sowie die Pokalpartie gegen den BVB vorzubereiten.

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