INTERVIEW | MORITZ FIEGE GENERATIONSWECHSEL
Foto: Martin Steffen/Privatbrauerei Moritz Fiege

Interview: David Wienand

Fotos: Martin Steffen/Privatbrauerei Moritz Fiege

Foto: Martin Steffen/Privatbrauerei Moritz Fiege

INTERVIEW | MORITZ FIEGE GENERATIONSWECHSEL

Generationswechsel in der Bochumer Familienbrauerei Moritz Fiege: Mit Carla und Hubertus Fiege werden zwei ebenso talentierte, wie kompetente, junge Leute ab dem nächsten Jahr die Geschicke von Bochums Traditionsbrauerei Moritz Fiege lenken, die seit rund 140 Jahren als Hersteller eines herrlich herben Bieres mit seinem unverkennbaren Geschmack, der nicht auf die breite Masse, sondern den Bochumer Genussmenschen zielt, auch überregional bekannt und geschätzt wird. Carla und Hubertus Fiege, sie Betriebswirtin mit den Schwerpunkten Marketing/ Personalmanagement, sowie Berufserfahrung in Start-ups und in der Brauindustrie, er ebenfalls Betriebswirt mit den Schwerpunkten Finanzen und Vertrieb, ausgebildeter Braumeister und in einer Unternehmensberatung, sowie zuvor in einem Kölner Brauhaus in einer Führungsposition tätig, stehen in den Startlöchern, um den Führungsstab von ihren Vätern Jürgen und Hugo Fiege, beide zusammen 2021 seit 40 Jahren an der Spitze des Familienunternehmens, zu übernehmen. Anlass genug für Bochum macht Spaß, der 6. Führungs- Generation des Hauses Moritz Fiege, auf den Zahn zu fühlen.

Wann stand für Sie beide fest, dass Sie im nächsten Jahr das Bochumer Traditionsunternehmen in die Zukunft führen würden?
Carla und Hubertus Fiege: Als Mitglieder einer Unternehmerfamilie haben wir von klein auf Vieles in und um die Brauerei mitbekommen. Vor über 10 Jahren haben wir in den Familien damit begonnen, in einem strukturierten Prozess mit allen Mitgliedern der beiden Unternehmerfamilien über die Herausforderungen und Chancen einer Nachfolge im Familienunternehmen zu beraten. So wurden Freiwilligkeit, Begeisterung und Leidenschaft, sowie eine gute Ausbildung als wichtige Kriterien für die Nachfolge definiert. Gemeinsam haben wir 2018 unseren Einstieg in das Familienunternehmen für das Frühjahr 2019 festgelegt. Ein konkreter Zeitpunkt der Übergabe mit unseren Vätern steht noch nicht final fest – wir haben aber das Jahr 2022 ins Auge gefasst.

Sie übernehmen das Unternehmen Moritz Fiege in schwierigen Zeiten. Vermutlich haben Sie sich ihren Einstand unter glücklicheren Umständen gewünscht.
Carla Fiege: Es gibt mit Sicherheit bessere Zeiten, um die Nachfolge in einem Familienunternehmen anzutreten, aber unsere Brauerei hat in 142 Jahren schon so manche Krise überstanden, sodass wir zuversichtlich in die Zukunft schauen. Insbesondere, da unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Corona-Krise einmal mehr bewiesen haben, was Miteinander in einem Familienunternehmen bedeutet.

Hubertus Fiege: Als Familie sind wir froh, den Herausforderungen von Covid-19 mit der Kraft von zwei Generationen entgegentreten zu können, insofern war es wiederum auch ein Glücksfall, dass wir wenige Monate vor der Pandemie in die Brauerei eingetreten sind und -als es losging- mit versammelten Kräften für den Fortbestand tätig werden konnten.

Ist es ein großes Glück, in dieser Zeit und bis zur Übernahme der Geschäftsführung noch Seite an Seite mit ihren Vätern Jürgen und Hugo Fiege zusammenzuarbeiten und von ihren Erfahrungen zu profitieren?
Carla Fiege: Ja, auf jeden Fall. Unsere Väter stehen uns immer mit Rat und Tat zur Seite. Auch sie waren bei ihrem Eintritt 1981 mit ihrem Vater, unserem Großvater Ernst Knühl-Fiege, eine gewisse Zeit gemeinsam tätig. Seit fast 40 Jahren stehen unsere Väter gemeinsam erfolgreich an der Spitze der Brauerei und sind für uns dadurch auch Vorbilder.

Bestimmt wollen Sie bewährte Dinge pflegen, aber sicherlich auch Neues gestalten. Welche Pläne und Veränderungen, z.B. was die Produktpalette betrifft oder die boomende Craft-Bier-Szene, sind unter ihrer Führung bei Moritz Fiege zu erwarten?
Hubertus Fiege: Neben einem gelebten Miteinander ist die Beständigkeit einer der wichtigsten Werte unseres Familienunternehmens. Aus diesem Grunde ist es unsere zentrale Aufgabe, den Fortbestand unserer Familienbrauerei zu gewährleisten und die Arbeitsplätze unserer Mitarbeitenden dauerhaft zu sichern – gerade in der heutigen Zeit. Selbstverständlich wollen wir auch dafür Sorge tragen, dass die Bierkultur, insbesondere durch regionale Biere, im Ruhrgebiet erhalten bleibt. Wir brauen Bier mit Charakter für Menschen mit Charakter und das soll auch so bleiben.

Carla Fiege: Noch stärker in den Fokus wird in den kommenden Jahren die weitere Verbesserung der Klimafreundlichkeit der Brauerei rücken. Hier empfinden wir als Nachfolger-Generation ebenfalls eine besondere Verantwortung. Ein Beispiel hierfür aus der nahen Vergangenheit ist die Einführung einer energieeffizienten Flaschenwaschmaschine in 2019, die wegen ihrer innovativen Technik vom Bundesumweltministerium gefördert wurde.

Welche sind die größten Schwierigkeiten, mit denen ein – im Vergleich zu den vielen Großbrauereien – kleines Familienunternehmen wie Moritz Fiege gerade unter den aktuellen Bedingungen, aber auch in der Zukunft, wird ankämpfen müsse?
Hubertus Fiege: Unsere Familienbrauerei ist eine der letzten konzernunabhängigen Privatbrauereien im Ruhrgebiet. Die Krise der Gastronomie durch die Corona Lockdowns hat spürbare wirtschaftliche Folgen für uns. In 2020 hatten wir einen Verlust von mehr als 50 Prozent des Absatzvolumens im Fassbier- und Gastronomie- Geschäft. Nicht nur die Gastronomie fehlt, sondern auch Vereine, Kulturveranstaltungen, Events und der Fußball im Ruhrstadion. Im ersten Lockdown haben wir unseren Pachtbetrieben zudem freiwillig finanziell unter die Arme gegriffen. Auch das hinterlässt Spuren im Ergebnis, war für uns jedoch im Sinne eines Miteinanders nur folgerichtig ist. Durch die derzeitigen Regulierungen verlieren wir als Zulieferer weiter erheblich an Umsatz. Großbrauereien haben tendenziell einen höheren Flaschenbieranteil, sodass Verluste im Fassbiergeschäft besser kompensiert werden können.

Welche Strategien haben Sie bereits entwickelt, um diesen Problemen wirksam entgegenzuwirken?
Hubertus Fiege: Unsere Strategie heißt Qualität auf allen Ebenen. Wir sind Brauer aus Leidenschaft, die handwerklich perfekte und charaktervolle, unverwechselbare Biere brauen, wie zum Beispiel unser Moritz Fiege Pils. Gerade erst sind wir zum 8. Mal in Folge mit dem Slow Brewing- Gütesiegel ausgezeichnet worden. Dabei handelt es sich um das härteste Gütesiegel der Welt für Bier und Brauereien. Wer sich um ein Slow Brewing-Siegel bemüht, verpflichtet sich, alle Biere monatlich testen zu lassen, die Brauerei jedes Jahr einem strengen Fach-Audit zu unterziehen und gleichzeitig einen hohen Anspruch an die Brauerei zu leben. Das „Brauen mit Zeit“ gehört zu den wichtigsten Kennzeichen der Slow Brewing-Philosophie. Im Gegensatz zu einer beschleunigten industriellen Massenproduktion bekennen sich Slow Brewer zu einer langsamen Gärung und schonenden Reifung. Das tun wir aus gutem Grund: Neben der Verwendung reinster natürlicher Rohstoffe ist es vor allem der Faktor Zeit, der für den herausragenden Geschmack von Slow Brewing-Bieren sorgt. Gleichzeitig orientieren wir uns am Leitsatz „Bewusst und Fair“. Slow Brewer produzieren Lebensqualität. Durch bewusstes und integres Handeln entstehen herausragende Biere. Bewusst im Sinne der Umwelt und der Region, bewusst im Sinne der folgenden Generationen und einer fairen Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden und allen am Produktionsprozess beteiligten Menschen. Ob und wie gut wir diese Ziele erreichen, steht Jahr für Jahr erneut auf dem Prüfstand.

Fiege und Bochum, das ist für viele Menschen in der Stadt untrennbar miteinander verbunden. Wird dieses  Miteinander auch unter ihrer Führung oberste Priorität haben?
Carla Fiege:
Selbstverständlich! Wir sind Bochumer aus Leidenschaft und fühlen uns dem gesamten Ruhrgebiet verbunden. Wir wollen als Familienbrauerei weiterhin ein Unternehmen aus der Region für die Region sein und sind stolz, ein Teil der kulturellen Identität unserer Heimat zu sein. In einer Welt, die immer schnelllebiger und komplexer wird, bleibt Fiege einfach Fiege: ein Stück Heimat, das Gefühl von Halt und gelebte Verbundenheit.

Moritz Fiege und Bochum Total - das war einmal eine große Partnerschaft. Werden Sie Anstrengungen unternehmen, auch hier wieder ihr Bier ausschenken zu dürfen?
Carla Fiege:
Die Partnerschaft zwischen Bochum Total und Moritz Fiege endete bereits 2013. Mit unserem Partner, der Agentur Cooltour, kamen wir damals überein, dass wir bei Bochum Total die gemeinsam gesteckten Ziele erreicht hatten. Wir hatten eine lange und gute Zeit miteinander, in der Bochum Total seine Gästezahl mehr als verdoppeln konnte. Die Partnerschaft hat die Marke Moritz Fiege und die mit Fiege verbundenen gastronomischen Angebote des Bermuda Dreiecks in herausragender Weise bei jungen Menschen aus ganz NRW bekannt gemacht. Für uns war es 2013 an der Zeit, neue Perspektiven zu wählen. Seitdem steht die Moritz Fiege weiterhin vielversprechenden Initiativen, die die Region stärken und Identität stiften, als guter Partner zur Seite, zum Beispiel beim Zeltfestival Ruhr, bei Bochum kulinarisch oder dem Bochumer Musiksommer. Die Agentur Cooltour zählt jedoch weiterhin zu unseren Partnern, so veranstalten wir gemeinsam seit mehr als zwanzig Jahren im Sommer das Moritz Fiege Open Air Kino auf unserem Brauhof.

Moritz Fiege und der VfL, auch das sind zwei verlässliche Konstanten seit vielen, vielen Jahren. Was werden Sie unternehmen oder sogar in Kauf nehmen, damit es bei dieser, bestimmt für alle Beteiligen, also auch die VfLFans, wünschenswerten Zusammenarbeit bleibt?
Hubertus Fiege:
Eines ist klar: Unser Herz schlägt für den VfL. Der VfL Bochum und das Bier von Moritz Fiege gehören seit 2001 zusammen und die Partnerschaft stellt im heutigen Profifußball etwas Besonderes dar, deshalb haben der Verein und wir im Sommer 2016 auch alles daran gesetzt, die Partnerschaft bis 2021 zu verlängern.

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